Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Predigt zum Bibelsonntag 2015 in der Bartholomäuskirche Markgröningen

Wir hören als Predigttext zum Bibelsonntag einen Abschnitt aus dem Brief an die Galater. Dieser Brief des Apostels Paulus an die Galater ist das Thema der ökumenischen Bibelwoche 2015.

Die Galater, an die Paulus schreibt, waren Christen in römischen Provinz Galatien in der heutigen Zentraltürkei, die Hauptstadt schon damals Ancyra, heute Ankara. Es sind Menschen, die sich viele Generationen vorher dort angesiedelt hatten und die auf keltische Söldner zurückgehen, Gallier, Kelten. Sie hatten ihre eigene Sprache. Das Griechische, das Paulus schreibt, wurde von ihnen wahrscheinlich verstanden, war aber nicht ihr eigener Dialekt. Noch Hieronymus schreibt um 400, dass sie neben dem Griechischen ihre eigene Sprache haben.

„An die Galater“ – Wir wissen nicht, an welche einzelne Gemeinde dieser Brief übergeben wurde und in welchen Gemeinden im Ganzen er verlesen werden sollte.

Es ist kein Glückwunschschreiben zum 10jährigen Jubiläum dieser Gemeinden, kein guter Rat, wie sie ihre Mission weitertreiben sollen, kein Dank für große Verbundenheit. Es ist ein Brief aus aktuellem Anlass. Paulus muss einer Entwicklung wehren, die ihn geradezu zornig macht. Er sagt den Galatern, dass sie dabei sind, ein paar Falschaposteln auf den Leim zu gehen, die predigen, dass man erst dann ein richtiger Christ sei, wenn man auch beschnitten wäre und die Gebote des jüdischen Glaubens halten würde, den Sabbat, die Feiertage, die Reinheitsgebote, nichts Falsches essen, nicht Verkehrtes anfassen. Dann wäre also der Glaube an Jesus Christus ein weiteres Gebot, das zu halten wäre nebst vielen anderen Dingen. Wer weiß, wohin das noch führt… Ein grandioses Missverständnis! Paulus besorgt sich Papyrus und Feder, er ist ja Schriftgelehrter und des Schreibens und Lesens kundig, hat schließlich auch studiert; er grüßt die Galater, die ihn noch kennen müssten von früher, stellt sich aber auch noch einmal ausführlich vor, damit sie wissen, wer ihnen da schreibt, weil er offensichtlich von seinen Gegnern als Looser hingestellt wurde, als Schwächling, als zweite Garnitur, als Amateur, als Nobody, weil er Jesus nicht persönlich die Hand geschüttelt hat, sondern sich später erst den Christen angeschlossen hat. Ja, er stellt sich ausführlicher vor als in allen anderen Briefen. Er kämpft um seine Apostelwürde, er argumentiert scharf und klar. Und hoffen wir, dass die Galater ihn verstanden haben und ihm gefolgt sind. Aber wir wissen es nicht.

Predigttext: Galater 5,1-11:
Aufruf zur rechten Freiheit

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen.

Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.

Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. Denn in Christus Jesus nützt die Beschneidung nichts, genauso wenig das Unbeschnittensein, sondern der allein Glaube, der durch die Liebe wirksam ist.

Ihr lieft so gut. Wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen? Solches Überreden kommt nicht von dem, der euch berufen hat.

Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.

Ich habe das Vertrauen zu euch in dem Herrn, ihr werdet nicht anders gesinnt sein. Wer euch aber irremacht, der wird sein Urteil tragen, er sei, wer er wolle.

Ich aber, liebe Brüder, wenn ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich dann Verfolgung? Dann wäre das Ärgernis des Kreuzes aufgehoben.

Ja, liebe Gemeinde,

zur Freiheit hat uns Christus befreit! Auf den Gottesdienstprogrammen steht’s klein vorne drauf: 25. Januar – Tag der Bekehrung des Apostels Paulus. Paulus würde demnach wahrscheinlich nicht von seiner Bekehrung reden, sondern von seiner Befreiung, von dem Moment, an dem er aus einem inneren Gefängnis herausgeholt wurde, von dem Moment, an dem sein Fanatismus gebrochen wurde und eine neue Überzeugung heranwuchs.

„Ich eiferte über die Maßen für die Satzungen der Väter“ sagt er, wir haben es in der Schriftlesung gehört. Paulus, „über die Maßen“ überzeugt und ausgerüstet mit einem überdimensionalen Sendungsbewusstsein: „ihr habt ja gehört von meinem Leben früher im Judentum, wie ich über die Maßen die Gemeinde Gottes verfolgte und sie zu zerstören suchte“ Davon ist er geheilt. Davon ist er vollkommen geheilt. Damit hat er nichts mehr zu tun. – Und hat jetzt auf einmal doch wieder damit zu tun – auf der anderen Seite, dass da die einen die andern verführen zu einem besseren Glauben, zu einem GlaubenPlus, mit Beschneidung. „Hey! Jesus war auch beschnitten. Meinst Du nicht, dass man wie Jesus sein sollte?“ „Und seine Jünger, Petrus, Jakobus, Andreas, alle. Meinst Du nicht, dass es gut wäre, wie sie zu sein?“ „Denk an Abraham, mein Freund! Heißt es da nicht: »Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch.« Soll das nicht mehr gelten für das neue Volk Gottes zu dem Du gehören willst?“

Ich stelle mir vor, wie sie nachgedacht haben in den Gemeinden Galatiens, wie sie sich das haben durch den Kopf gehen lassen, wie sie es ernst gemeint haben, aber auch gezögert haben. – Die Taufe war doch schon etwas. „Ja, ja, die Taufe…“ – „Aber eigentlich…“ werden diese Brüder gesagt haben, „eigentlich…“ Und die Menschen in diesen Gemeinden, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen waren, fühlten sich plötzlich gar nicht mehr frei, sondern beklemmt.

Etwas, das es bis heute gibt, dass Glauben mit Beklemmungen verbunden ist.

Wo Glaube mit Beklemmungen verbunden ist, haben ganz andere, Außenstehende, auch wieder Beklemmungen, die es mit ansehen müssen und nicht froh dran werden, und es wird ganz und gar verklemmt;

weshalb Paulus hier keinerlei Verständnis aufbringt, keinen Kompromiss anbietet, sich nicht an einen Tisch setzen will und aushandeln, was jetzt der goldene Mittelweg wäre.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit!

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So stehet nun fest!

So stehet nun fest und lasst Euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

Was heißt das heute, liebe Gemeinde? Was heißt das in christlichen Kirchen, in denen das Thema Beschneidung ja schon kurze Zeit nach dem Galaterbrief kein Thema mehr war. Abgetan. Die Freiheit, die Paulus predigt, hat gesiegt. Aber es scheint, es wäre eine Freiheit, um die man immer wieder kämpfen muss, die man stets von Neuem gewinnen muss, die man nicht ein für alle Male hat, sondern die ergriffen werden will.

„Je suis Charli“ haben Millionen Menschen nach dem Terroranschlag in Paris gesagt und haben sich solidarisiert mit denen, die diesem Terroranschlag zum Opfer gefallen sind. „Je suis Charli!“ Viel weniger Menschen hat man gesehen, die sich mit den jüdischen Opfern derselben Terroraktion solidarisiert haben. Man ist ja im ersten Moment von zweierlei Anschlägen ausgegangen bis man dann schnell ihren Zusammenhang belegen konnte. „Je suis Juif“ – „Ich bin Jude“ Ja, diese Solidarisierung gab es auch, aber weitaus seltener, sie ist nahezu untergegangen.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So stehet nun fest!

Am kommenden Dienstag ist der 27. Januar. Es ist der Holocaust-Gedenktag, der Tag, an dem vor 70 Jahren das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde. „Je suis Juif“ – „Ich bin Jude“. Ich stelle mir vor, es wären in Hitlerdeutschland Millionen auf die Straße gegangen und hätten sich einen Judenstern angeheftet. „Ich bin Jude“ oder wären für andere Verfolgte auf die Straße gegangen. Wäre es dann zur millionenfachen Vernichtung gekommen? Hat da so vielen der Mut gefehlt? Freiheit braucht Mut! Und Freiheit braucht, dass man zusammensteht. „So stehet nun fest!“

 

Was heißt das heute, wenn es nicht mehr um das Thema von damals geht, aber vielleicht um andere Themen und immer noch um die Freiheit und darum, aus Glauben gerecht zu werden und nicht selbst gerecht zu sein?

Bleibt bei Christus, sagt Paulus den Galatern, da habt Ihr alles. Sucht nicht noch irgendwas, was Euch weiterbringt. Es wirft Euch in Wirklichkeit nur zurück. Bleibt bei Christus und kümmert Euch lieber um die, die Euch brauchen: der Glaube, der in der Liebe wirksam ist. Es heißt nicht „Glaube“ und „Liebe“, sondern heißt, dass sich der Glaube als Liebe äußert, erweist, zeigt. Vergesst alles andere, sagt er, der Glaube, der sich als Liebe äußert, ist es, nichts anderes.

Diese Woche war auch der 200. Todestag des Dichters Matthias Claudius, wahrhaft einer der größten, weil einer der bescheidensten. Wir hören nach der Orgelmediation Auszüge aus seinem Brief an seinen Sohn Johannes. Er sagt in diesem Brief: der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der wollen kann, was er tun soll.

Noch einmal: Der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der wollen kann, was er tun soll.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Der Glaube, der in der Liebe wirksam ist. Amen.

Veröffentlicht von

TPlieninger

Pfarrer, ev., im Ruhestand