Freiheit

Wort der Woche von Pfarrer i.R. Traugott Plieninger

Ich habe eine Weile gesucht, bis mir ein Bild für Freiheit gefallen hat. Nicht die Freiheitsstatue. Es ein Bild von der Ostsee geworden. Sommerwetter, ein paar Wölkchen am Himmel, tiefblaues ruhiges Wasser, ein Segelboot, am Horizont ein größeres Ausflugsschiff. Freiheit ist auch ein Gefühl: frei sein, die Freiheit genießen, ungestört sein, Weite erleben, zur Ruhe kommen.

Wir sagen Freizeit, Freiraum, gehen ins Freie. Freiheit ist ein Grundbedürfnis all dessen, was lebt. Menschen, Tiere, selbst Pflanzen benötigen Freiheit, Freiraum, um sich entfalten zu können.

Sind wir freiheitsliebenden Menschen selbst frei, freie Menschen? Welche Freiheit steht uns zu? Ist mit Freiheit Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Willensfreiheit, Versammlungsfreiheit, Wahlfreiheit gemeint?

Haben wir wirklich die Wahl? Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen, auch nicht den Ort, wo wir geboren werden und nicht die Zeit, in der wir zur Welt kommen. Wir suchen uns unsere Gene nicht aus und sind mit unserem Körper unterwegs, der vollkommen, aber nicht perfekt ist. Täglich stoßen wir an Grenzen und fühlen uns oft nicht frei, sondern eingeengt, befangen. Wie frei sind wir wirklich? Selbst über den Wolken, wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, ist sie es nicht. Wer ins Flugzeug steigt, tut es mit dem mulmigen Gefühl eines Menschen, der weiß, dass auch das Fliegen viel zur Schädigung des Klimas beiträgt. Und was ist es mit der freien Marktwirtschaft und der freien Fahrt auf Autobahnen?

Matthias Claudius, Dichter und Schriftsteller, schrieb einst an seinen Sohn Johannes: …und der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll.

Da ist angedeutet, dass uns unsere Freiheit nicht in den Schoß gelegt wird, dass sie anstrengend sein kann. Menschen haben für die Freiheit ihr Leben gelassen, Menschen sitzen für ihre Freiheit und die Freiheit anderer im Gefängnis, in Arbeitslagern und zehren davon, dass sie von uns in Freiheit Lebenden nicht vergessen werden.

Von der Freiheit eines Christenmenschen – hieß eine Schrift Martin Luthers, die die Reformation mit eingeleitet hat. Darin heißt es:


Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

Was sind Ihre Gedanken zur Freiheit?

Evang. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim. Wort der Woche 25.9.-1.10.23 Druckversion

Suchen und Finden

Ein gutes Wort für die Woche – Ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim (KW 33/2023)


Suchen und finden. Ein Lebensthema. Für die Zeit der Romantik wurde die Sehnsucht und die Suche nach der blauen Blume das Symbol einer ganzen Epoche. „Fernab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn‘ ich mich zu erblicken…“ hatte Novalis geschrieben.


Sehnsucht. Auch das hat mit Suchen zu tun, und mit Finden wollen, vielleicht auch nur ein Bruchstück, ein Fragment finden von dem, wonach wir uns sehnen: nach ein bisschen Glück, nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach Wahrheit, Ehrlichkeit, Anerkennung.

Bittet, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan, sagt Jesus. Er erweist sich als Schirmherr der Suchenden. Er segnet nicht die, die die Wahrheit besitzen oder schon wissen was recht und gerecht ist, auch nicht die, die sagen »da kannst Du nichts machen; es kommt, wie es kommt…«

Und bedeuten die Worte »sucht, so werdet ihr finden« nicht auch, dass Jesus selbst auf der Suche ist, auf der Suche nach Verbündeten für eine bessere Welt, für das Reich Gottes, für Heil und Gerechtigkeit?!

Wonach suchen wir nicht ständig? Nach dem Autoschlüssel, nach einer Rechnung, die wir weggelegt hatten, nach einem Wort, das uns nicht einfallen will, wonach auch immer; und sind erleichtert, wenn wir das, was wir gesucht haben, schließlich gefunden haben.

Gott segne unser Suchen und Finden und lasse uns von Neuem finden, wenn wir von Neuem suchen. Er segne das Suchen nach Wegen, wo es ausweglos scheint, und segne die Recherche, wo sie der Wahrheit dient. Er segne die Suche nach einem gerechten Urteil, wo Richtende zu richten haben, und begleite die Flüchtenden, die einen Ort suchen, an dem sie willkommen sind, eine neue Heimat. Gott segne unser alltägliches Suchen nach dem, was uns fehlt und woran es fehlt, und schenke uns, dass wir dann und wann etwas finden, wonach wir gar nicht gesucht haben, ein Glück, eine Idee, eine Aufgabe. Gott segne unsere Begegnungen, unsere Bemühungen, unsere Interessen und unser Vertrauen, dass unsere Suche nicht vergeblich ist.

Lob der Pause

In der Musik ist genau definiert, wie lang sie sein muss, die Pause. Es gibt die Viertelpause, es gibt die halbe Pause, einen ganzen Ton Pause oder sogar einen oder mehrere Takte Pause. Nicht kürzer, nicht länger. Aber selbst die kürzeste Pause reicht zum Atemholen.

In der Schule gibt’s die große Pause, die kleine Pause, die 5-Minuten-Pause. Davor und danach ist Unterricht. Pausenlos Unterricht geht gar nicht!

Den Stillstand mögen wir allerdings auch nicht, wenn sich überhaupt nichts bewegt, wenn nichts vorangeht oder am Schluss alles zum Erliegen kommt. Es ist die Pause, die uns guttut und die wir brauchen. Danach geht es weiter!

Das Symbol der Pause ist eine Bank oder ein Snack, eine Tasse Kaffee, bei Wanderungen ein Picknick. Selig, wer sich ein zweites Frühstück genehmigen kann oder dann eine Mittagspause, womöglich eine kleine Siesta.

»…und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen«, sagt Pippi Langstrumpf. Die Pause ist auf alle Fälle frei von jedem Zwang, von jedem »du musst«, und ist eine Erinnerung daran, dass uns Gott nicht geschaffen hat, um etwas zu leisten, sondern um zu leben, zu atmen, zu sehen, zu hören, zu riechen und zu schmecken, schließlich auch um uns oder etwas zu bewegen, etwas zu tun.

Der mich atmen lässt, bist du, lebendiger Gott, /
der mich leben lässt, bist du lebendiger Gott…

Pausen am Tag sind ein Vorgeschmack auf den Feierabend, der Feierabend ein Vorgeschmack auf die Feiertage, den Ruhetag, die Ferien. Ich wünsche Ihnen den rechten Rhythmus für Ihren Alltag, und dass Ihnen die Zeit nicht davonläuft, wenn sie Pause machen.

Wort der Woche,
Ev. Kirchengemeinden Bietigheim-Bissingen
02.07.2023

Plädoyer fürs Warten

Ein gutes Wort für die Woche vom 21. Mai 2023 von Pfr. i.R. Traugott Plieninger

Im Kirchenjahr sind die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten dem Warten vorbehalten. „Die wartende Gemeinde“ ist das Motiv des Sonntags nach dem Fest Christi Himmelfahrt. Was verbinden wir mit Warten? Angenehmes oder eher Unangenehmes? Die Wartemusik am Telefon nervt. Wir warten nicht gern, vor allem nicht, wenn es sich hinzieht. Aber genauso schwer tun wir uns, wenn uns für irgendetwas keine Zeit bleibt.

Warten – Abwarten – Erwarten – Zuwarten – Aufwarten

Das Auto zur Wartung in die Werkstatt bringen

Der Wärter, die Wärterin: sie kümmern sich

Ich habe ein ruhiges Bild für das Warten gewählt. Für vieles brauchen wir Geduld, vielleicht nur ein Quäntchen Geduld oder auch viel Geduld. Hoffentlich ist unsere Geduld nicht zu früh oder im falschen Moment zu Ende und der Geduldsfaden reißt.

Von Himmelfahrt bis Pfingsten sind es 10 Tage. Wie fühlt sich erfülltes Warten an? Dankbar, aufmerksam, gelassen, heiter…

Ich wünsche Ihnen, dass auch das Warten Schönes für Sie bereithält.

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Ruhe finden

Ein gutes Wort für die Woche.
27.02.2023 Ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim-Bissingen

Beim Stöbern in alten Fotos entdecke ich Bilder, die ich auf einer Reise vor ziemlich genau acht Jahren beim Sonnenaufgang gemacht habe. Die Erinnerungen sind sofort da und verbinden sich mit der faszinierenden Ruhe eines herrlichen Sonntagmorgens. Bei Dunkelheit waren wir aufgebrochen, um rechtzeitig vor Tagesanbruch an einer Aussichtsplattform zu sein und dann zu erleben, wie in kurzer Zeit die Dunkelheit weicht und mit dem Zunehmen des Lichts die Konturen einer weiten Landschaft aus der Dämmerung heraus sichtbar werden.

Der Himmel war wolkenlos. Von Osten her schickte die Sonne ihr Licht voraus bis sie schliesslich ganz zu sehen war. Fasziniert erlebten wir das wunderbare Schauspiel, sprachen nur wenige Worte zueinander, um die Stille nicht zu stören.

„Morning has broken…“ – „Morgenlicht leuchtet…“
Die Melodie des bekannten Liedes kommt beim Betrachten der Bilder wie von innen. Ruhe finden.

*

Mit dem Aschermittwoch hat die Fastenzeit, die Passionszeit begonnen. Der Lärm der närrischen Tage ist verklungen, und ich spüre mein Bedürfnis nach Ruhe. Nicht nach körperlicher Ruhe. Ich bin nicht müde. Es ist eher das Bedürfnis offen sein zu können für etwas, das keine Nachricht enthält, kein Hingucker ist, mich eher als Impuls aus einer verborgenen Wirklichkeit anspricht. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf:

  • Ende Februar, Anfang März… Der Winter ist auf dem Rückzug. Gibt es schon eine Art Bilanz?
  • Der 3. März ist der Internationale Tag des freien Sonntags. Hat das noch eine Bedeutung? Welche?
  • Der 3. März ist auch der erste Freitag im März, an dem wieder Menschen in mehr als 150 Ländern zum Weltgebetstag der Frauen zusammenkommen. Ein Gebet wandert über 24 Stunden um den Erdball … und verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg. Dieses Jahr haben Frauen aus Taiwan die Liturgie für den Gottesdienst vorbereitet.

Ich brauche Ruhe, um nachdenken zu können und um das verdauen und verarbeiten zu können, was mich beschäftigt, was mir einfällt und auffällt. Ich brauche Ruhe, und es ist schön, die Ruhe auszuhalten, wenn sie sich – manchmal unerwartet und unverhofft – einstellt. Mein Motto für die Fastenzeit: Ruhe finden! Und ich meine nicht, dass ich in Ruhe gelassen werden will, eher schon Ruhe finden, um gelassen zu werden.