Alles hat (keine) seine Zeit

Das Wort für die Woche – 29. Januar 2024
ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim

Eine komplizierte Sache scheint es mit der Zeit zu sein, wie die astronomischen Uhren beweisen. Vielleicht ist es aber auch ganz einfach. Das Stundenglas, die Sanduhr, zeigt schlicht, wie die Zeit verrinnt. Es gibt viele Arten von Uhren, sündhaft teure Uhren, billige Massenware, modische Uhren, antike Uhren, Je mehr Uhren, desto weniger Zeit, will mir scheinen.

Mittlerweile sind wir schon einen ganzen Monat weit im Neuen Jahr vorangekommen. Die Lokführer streiken – wie andere schon vor ihnen – für kürzere Arbeitszeit. Was macht man mit der Zeit, die man weniger arbeitet? Ist Zeit, in der man nicht arbeitet, qualitätvoller? Oder geht es um etwas ganz anderes, um Anerkennung, um Zufriedenheit, um Resonanz, um Sinn? Was ist nur aus dem Kindertraum vom Beruf des Lokführers geworden? An Jim Knopf sei erinnert und Lukas den Lokomotivführer! Auch an Momo, die die Menschen erlöst von den Zeitdieben, die versprechen, sie würden die eingesparte Zeit auf eine Zeitsparkasse bringen. Stattdessen vernichten sie die Zeit, die die Menschen einsparen und Momo muss zu Meister Hora, dem Herrn der Zeit, um die gehetzte Menschheit zu erlösen, die immer mehr Zeit spart und immer weniger Zeit hat.

Alles hat seine Zeit, heißt der bekannte Text im Alten Testament, Buch des Predigers: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit … Es ist interessant, welche Wortpaare in diesem uralten Text aufgezählt sind und welche Wortpaare wir heute in diese Reihe einordnen würden. Vielleicht das: Arbeiten hat seine Zeit, nicht arbeiten müssen hat seine Zeit, verwirklichen hat seine Zeit, träumen hat seine Zeit, handeln hat seine Zeit, abwarten hat seine Zeit…

Geschenkte Zeit, vertane Zeit, erfüllte Zeit, verlorene Zeit, gewonnene Zeit. Noch immer faszinieren die Mönchsorden, die die Zeit eingeteilt haben durch Stundengebete, Arbeitszeiten und Zeiten des Lesens. Erstaunliches haben sie hinterlassen, nicht als Individuen, sondern in gemeinschaftlichem Befolgen der Regel. Von ihnen könnten wir im Umgang mit der Zeit immer noch lernen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit!

Veröffentlicht von

TPlieninger

Pfarrer, ev., im Ruhestand