Ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim – Wort der Woche 10.-16.2.25

Wer erinnert sich nicht: während der Corona-Pandemie hat man das Abstand-Halten geübt. Nur niemandem zu nahe kommen! Nur niemanden zu nah an sich heranlassen!
In Kirchen wurde mindestens jede zweite Bankreihe gesperrt und in den anderen Reihen durften höchstens – mit Abstand – drei Leute sitzen. In Restaurants, Kantinen, Versammlungsräumen wurden die Sitzplätze ausgedünnt. Nach und nach wurden die Regelungen wieder großzügiger. Aber das Abstand-Halten gilt weiterhin im Straßenverkehr, am Bankschalter, beim Arzt und am Bahnsteig.
Wo der Abstand nicht eingehalten wird, kann es gefährlich werden, zumindest aber eng und ungemütlich. Schweigend steht man zu zweit, zu dritt oder viert im Aufzug, weil man sich fremd ist und zu nah beieinander steht.

In seinem berühmten Gedicht „Von der Ehe“ sagt der libanesische Dichter und Philosoph Khalil Gibran (1883-1931) zum Schluss:
Und steht zusammen,
doch nicht zu nah:
Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,
Und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der anderen.
Abstand gewinnen ist mir noch in anderer Hinsicht wichtig. Ständig sind wir konfrontiert mit Nachrichten, Werbung, Information. Einst hat man morgens die Zeitung überflogen und dann weggelegt. Heute können wir die Nachrichten mit unseren Smartphones den ganzen Tag verfolgen. Push-Meldungen kommen in kurzen Abständen. Es ist schwer, eine Distanz zu all dem zu gewinnen, was fortwährend Aufmerksamkeit beansprucht, uns bedrängt und womöglich zu nah kommt. Entsprechend gereizt und ungeduldig ist unsere Gesellschaft im Ganzen. Schnell greift die Empörung über, und die Menge ruft Skandal! Wir kommen mit allem, was auf uns einstürmt, nicht mehr gut zurecht. Ständig müssen wir entscheiden, ob wir reagieren wollen oder ob uns das nichts angeht. Wie gewinnen wir den nötigen Abstand?
Am ehesten, indem wir bewusst Gelegenheiten wahrnehmen, uns auf unsere Mitte auszurichten. Demnächst vielleicht, wenn es ab dem Aschermittwoch (5. März) wieder heißt: 7 Wochen ohne… Das diesjährige Motto der Fastenaktion lautet:
Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik. Wie passend, um Abstand zu gewinnen! Die Anregung stammt von Jesus. Ihn finden wir zu Beginn seiner Wirksamkeit nicht in einer Menschenmenge, sondern in der Wüste: 40 Tage, die ihn prägen. Später wird er immer wieder den Abstand suchen, den er zum Durchatmen braucht, um dann zu den Menschen zurückzukehren.
Ich wünsche Ihnen Gottes Segen, wenn Sie Abstand gewinnen müssen!