Das Wort für die 5. Woche der Passionszeit von Pfr. i.R. Traugott Plieninger. ev. gesamtkirchengemeinde bietigheim
Aus der mittelalterlichen Marienfrömmigkeit stammt das Stabat Mater dolorosa… (Es stand die Mutter schmerzerfüllt…) Es ist ein Gedicht, das den Schmerz Marias beschreibt, die ohnmächtig unter dem Kreuz steht und zusehen muss, wie ihr Sohn stirbt. Ungezählte Male wurde das Motiv in der Kunst aufgegriffen, häufig wurde es vertont und wird in der Passionszeit oder direkt am Karfreitag aufgeführt.
Ich habe mich zunächst schwer getan bei den Chorproben, fand nicht recht den Zugang zu dem Stück, aber dann waren da die Bilder aus Russland, der Tod Nawalnys, seine Mutter, die einen Kampf darum führen muss, den Leichnam ihres Sohnes sehen zu dürfen, ihn freizubekommen für eine Bestattung. Die Bilder von der Trauerfeier gingen um die Welt.
Auf einmal war das Stabat Mater aktuell. Es ist nicht nur für Maria, die Mutter Jesu, geschrieben, gemalt und vertont worden, auch für Ljiudmila Nawalnaja und Tausende von Müttern, deren Söhne und Töchter in die Mühlen der Gewalt geraten und die ohnmächtig aushalten müssen, wie diese in Gefängnissen schikaniert werden und zu Tode kommen, als Geißeln gefangen gehalten werden. Jedes Mal ist es nicht nur das Verbrechen, dass Menschen unschuldig weggesperrt, gefoltert, verschleppt, getötet werden; jedes Mal ist es zugleich das Leid, das denen zugefügt wird, die an ihrer Seite stehen.
Eine der bekanntesten Vertonungen hat Giovanni Battista Pergolesi hinterlassen. Sie entstand wenige Wochen vor seinem frühen Tod mit 26 Jahren am 16. März 1736, zwei Wochen vor dem Karfreitag.
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Unvergessen: Nicht nur die Namen der Herrschenden, Pilatus, Putin, und wie sie alle heißen mögen. Unvergessen nicht nur die Errungenschaften der Menschen, die Namen der großen Denker, Erfinder, Entdecker und Pioniere. Unvergessen in der Musik, in der Kunst ist auch das Leid, das Menschen getragen haben, unvergessen die Solidarität, die sie gespürt haben, unvergessen die Kraft zu erdulden, zu trösten, zu widerstehen. Selig sind die Leid tragenden, denn sie sollen getröstet werden, sagt Jesus, und ermutigt uns mitzutragen, die Ohnmacht auszuhalten.
Bild: Gert Fabritius, Stufen. Bartholomäuskirche Markgröningen 2008. Ausschnitt Kreuzigungsgruppe. Bearbeitung T.Plieninger
Eine Aufführung des Stabat Mater von Pergolesi gibt es am Karfreitag, 29. März um 15 Uhr in der Kilianskirche Bissingen im Rahmen der Musik zur Todesstunde Jesu