Ev. Gesamt-kirchengemeinde Bietigheim
Wort der Woche 21.-17. April 2025
Zu Ostern gehören für mich Lieder, dieses Jahr besonders „Wir haben Gottes Spuren festgestellt…“ Es steht gar nicht bei den Osterliedern, sondern weiter hinten im Gesangbuch (EGWü 656). Mit dem Text kommt mir auch gleich die Melodie in den Sinn. … Liebe und Wärme in der kalten Welt, Hoffnung, die wir fast vergaßen. Jedes Wort, jeden Ton mag ich, die Viertel, die Achtel und die Pausen.
Es ist ursprünglich ein französisches Lied von Michel Scouarnec (*1934), einem Priester und Schriftsteller aus der Bretagne, übersetzt von Diethard Zils (*1935), Priester in Mainz. In Windeseile hat es sich Anfang der 80er-Jahre über Konfessionsgrenzen hinweg verbreitet: Blühende Bäume haben wir geseh‘n, wo niemand sie vermutet, Sklaven, die durch das Wasser geh‘n, das die Herren überflutet. Zeichen und Wunder sahen wir gescheh‘n in längst vergang’nen Tagen, Gott wird auch unsere Wege geh‘n, uns durch das Leben tragen.
Ich denke an die neue Zeit, die in Syrien angebrochen ist, Zeichen und Wunder nach fast 14 Jahren Krieg und Zerstörung. Sicher liegt noch ein langer Weg vor den Menschen dort, aber die Hoffnung blüht wieder, und die ersten Früchte reifen schon.
Auch die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame in Paris hat mich tief bewegt. Ich weiß noch, wie mir die Tränen kamen, als die Bilder vom Brand sich verbreiteten, und ich fassungslos vor dem Fernseher saß und es nicht wahrhaben wollte. Sechs Jahre ist es gerade her, dass die Feuerwehrleute gegen das Feuer gekämpft haben. Im Advent 2024 konnte Notre Dame wieder eröffnet werden. … Durch tote Fensterhöhlen kam ein Glanz, Strahlen, die die Nacht durchbrachen. …
Ich denke aber auch an die Menschen, die noch das Gegenteil von Ostern erleben, die noch nichts davon spüren dass Bettler und Lahme beim Tanz gesehen werden, dass Stumme wieder Worte finden, denke an die Menschen in der Ukraine, in Gaza, in Israel, im Westjordanland, im Sudan, in Myanmar und all die vielen, die nicht wissen, wie sie weiterleben sollen, weiterleben können. Ich denke an die vielen Menschen, die man in die Gefängnisse gesperrt hat, weil sie sich ihren Regimen nicht gebeugt haben. Trotzdem singe ich gegen all die Katastrophen und all das Unrecht dieser Welt an und wenn’s mit dem Lied ist, das eine Seite vorher im Gesangbuch steht: Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt? Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit…
Zu Ostern gehören Lieder, Hoffnungslieder, Freiheitslieder, Lieder gegen alles Unheil, Lieder gegen den Tod, Lebenslieder.