Das Wort für die Woche vom 30. September – 6. Oktober 2024 von Pfr. i.R. Traugott Plieninger
Neulich habe ich es mir aus dem Regal geholt, das 1962 erschienene Bändchen mit gesammelten Schriften von Antoine de Saint-Exupéry, Dem Leben einen Sinn geben. Es schien mir an der Zeit, es wieder einmal zu Hand zu nehmen. Darin enthalten ist der Brief an einen General, den er im Juli 1943 geschrieben hat und der 1948 posthum veröffentlicht wurde. Dort heißt es an einer Stelle:
„Ach, Herr General, es gibt nur ein Problem, ein einziges in der Welt. Wie kann man den Menschen eine geistige Bedeutung, eine geistige Unruhe wiedergeben; etwas auf sie herniedertauen lassen, was einem Gregorianischen Gesang gleicht!… Sehn Sie, man kann nicht mehr leben von Eisschränken, von Politik, von Bilanzen und Kreuzworträtseln. Man kann es nicht mehr. Man kann nicht mehr leben ohne Poesie, ohne Farbe, ohne Liebe…“
Heute würde er anderes aufzählen, vielleicht: Man kann nicht mehr leben von Nachrichten, Umfragen und Talkshows, von Online und Offline, KI, Tiktok und Facebook, obwohl unsere Gesellschaft und wir einzelnen längst süchtig danach geworden sind und spüren zugleich: Es stillt unsere Sehnsucht nach Leben nicht, womit wir uns beschäftigen, unterhalten oder zerstreuen lassen, aber wir können anscheinend auch nicht ohne das alles auskommen. Ist es die Unzufriedenheit, die unser Leben in Gang hält?
Was macht uns zufrieden? Sicher nicht die Ohnmacht, die wir empfinden, wenn wir tagtäglich durch die Medien an Abgründe und vor Situationen geführt werden, auf die wir nicht zu reagieren wissen. Krieg, Zerstörung, Hunger, Flucht. Aber was ist es dann?
Und wie lange hält ein Stück Zufriedenheit? Was gibt uns Halt, wenn die Zufriedenheit schwindet? Goethe lässt eine seiner Figuren im Wilhelm Meister sagen:
„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
»Auftanken«, sagen wir heute, »seinen Kompass ausrichten«, »sich sammeln«, »sich besinnen«, – was für ein Wort!
„Alle Tage wenigstens…“ seinen Rhythmus finden, seinen Halt suchen und wissen, wo er zu finden ist. Letzten Endes hängt unsere Zufriedenheit mit dem Sinn zusammen, den wir für unser Leben und unseren Alltag gefunden haben: für etwas oder für jemand da sein zu können, wie es der Predigttext des zurückliegenden Sonntags sagt: Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die empfangen hat. 1. Petr. 4,10. Es ist sicherlich ganz praktisch gemeint.