Ruhe finden

Ein gutes Wort für die Woche.
27.02.2023 Ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim-Bissingen

Beim Stöbern in alten Fotos entdecke ich Bilder, die ich auf einer Reise vor ziemlich genau acht Jahren beim Sonnenaufgang gemacht habe. Die Erinnerungen sind sofort da und verbinden sich mit der faszinierenden Ruhe eines herrlichen Sonntagmorgens. Bei Dunkelheit waren wir aufgebrochen, um rechtzeitig vor Tagesanbruch an einer Aussichtsplattform zu sein und dann zu erleben, wie in kurzer Zeit die Dunkelheit weicht und mit dem Zunehmen des Lichts die Konturen einer weiten Landschaft aus der Dämmerung heraus sichtbar werden.

Der Himmel war wolkenlos. Von Osten her schickte die Sonne ihr Licht voraus bis sie schliesslich ganz zu sehen war. Fasziniert erlebten wir das wunderbare Schauspiel, sprachen nur wenige Worte zueinander, um die Stille nicht zu stören.

„Morning has broken…“ – „Morgenlicht leuchtet…“
Die Melodie des bekannten Liedes kommt beim Betrachten der Bilder wie von innen. Ruhe finden.

*

Mit dem Aschermittwoch hat die Fastenzeit, die Passionszeit begonnen. Der Lärm der närrischen Tage ist verklungen, und ich spüre mein Bedürfnis nach Ruhe. Nicht nach körperlicher Ruhe. Ich bin nicht müde. Es ist eher das Bedürfnis offen sein zu können für etwas, das keine Nachricht enthält, kein Hingucker ist, mich eher als Impuls aus einer verborgenen Wirklichkeit anspricht. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf:

  • Ende Februar, Anfang März… Der Winter ist auf dem Rückzug. Gibt es schon eine Art Bilanz?
  • Der 3. März ist der Internationale Tag des freien Sonntags. Hat das noch eine Bedeutung? Welche?
  • Der 3. März ist auch der erste Freitag im März, an dem wieder Menschen in mehr als 150 Ländern zum Weltgebetstag der Frauen zusammenkommen. Ein Gebet wandert über 24 Stunden um den Erdball … und verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg. Dieses Jahr haben Frauen aus Taiwan die Liturgie für den Gottesdienst vorbereitet.

Ich brauche Ruhe, um nachdenken zu können und um das verdauen und verarbeiten zu können, was mich beschäftigt, was mir einfällt und auffällt. Ich brauche Ruhe, und es ist schön, die Ruhe auszuhalten, wenn sie sich – manchmal unerwartet und unverhofft – einstellt. Mein Motto für die Fastenzeit: Ruhe finden! Und ich meine nicht, dass ich in Ruhe gelassen werden will, eher schon Ruhe finden, um gelassen zu werden.

Armenien – Jerewan 18.-22. Mai 2022

Anlass meines Besuchs in Armenien war die Einladung zur 9. Rotary-Distrikt-Konferenz des Distrikts 2452 durch Distrikt Governor Ashot Karapetyan, die er mir gegenüber bei einer Begegnung im Libanon im Oktober 2021 ausgesprochen hat. Aus unserem Rotary-Club Bietigheim-Vaihingen / IWC Ludwigsburg sind wir zu zweit angereist.

Der Rotary-Distrikt 2452 besteht aus Rotary-Clubs in neun Ländern: Georgien, Armenien, Zypern, Libanon, Jordanien, Palästina, Bahrein, Vereinigte Arabische Emirate, Sudan. Bis auf Sudan waren alle Länder auf der Konferenz vertreten. Erstmalig stellte Armenien den Governor, erstmalig fand eine Rotary-Distriktkonferenz in Armenien statt. Konferenzzentrum war das Multi Grand Hotel mit den großartigen Räumen des Pharaon-Komplex. Zur Konferenz gab es für Interessierte ein touristisches Begleitprogramm, das wir intensiv genießen konnten. Sehr schöne Vorab-Impressionen vermittelt das Welcome-Video der Konferenz.

Unser Flug ging abends von Stuttgart über Wien nach Jerewan, insgesamt 4 1/2 Stunden Flugzeit. Die Zeitverschiebung zu Armenien beträgt zwei Stunden, so dass wir morgens um kurz vor 4 Uhr auf dem Flughafen Swartnoz gelandet sind und von dort mit dem Taxi ins Hotel fuhren.

Mittwoch, 18. Mai – Tag 1 vor Konferenzbeginn

Mit einer deutschsprachigen Fremdenführerin starteten wir mit einem Taxi in Richtung Osten, ca. 25km nach Etschmiadsin (Echmiadzin, Էջմիածին . Erste Station war die Kirche St. Hripsime, 7. Jahrhundert.


Nachdem wir soeben einen Jubiläumsband über die Bartholomäuskirche Markgröningen veröffentlicht haben, „750 Jahre Bartholomäuskirche“, wird man hier doch ganz bescheiden. Als in Markgröningen die erste Glocke gestiftet wurde, stand St. Hripsime schon 654 Jahre lang und war nicht einmal die erste oder älteste Kirche in dieser Region. Informationen zu St. Hripisime findest Du u.a. auf den Seiten des Armenian Travel Bureau oder auf einer Übersichtsplattform über die UNESCO Welterbe-Stätten in Armenien.


Nächste Station war die Kirche St. Gayane, unweit von St. Hripsime, ebenfalls aus dem 7. Jahrhundert und ins UNESCO Welterbe aufgenommen (Wikipedia deutsch)


Höhepunkt des Ausflugs war der Besuch in Etschmiadsin, Zentrum der Armenisch-Apostolischen Kirche und Sitz des Katholikos, Oberhaupt dieser Kirche. Die Kathedrale, leider wegen Renovierungsmaßnahmen geschlossen, ist eine der ältesten Kirchen der Welt und ebenfalls eine der UNESCO-Welterbe-Stätten. Der Bau geht historisch zurück auf das Jahr 301, in dem Armenien als erste Nation geschlossen den christlichen Glauben annahm.


Bilder der Kathedrale gibt es zuhauf, Details ohne Ende. Empfohlen sei auch die eigene Website der Stadt mit einem Link zu den für Touristen gefragten Zielen (bitte in den Einstellungen die englischsprachige Version anklicken, falls diese nicht von allein erscheint). Besonders beeindruckt hat mich die Gesamtanlage des Klosterareals mit dem gewaltigen Eingangsportal (Gate of Saint Gregory), das von außen Trdat III und Gregor, den Erleuchter, zeigt, die beiden, die als Gründer der armenischen Kirche angesehen werden. Gregor bringt Trdat III. das Licht des Evangeliums (s. Ökumenischer Namenskalender).


Das Eingangstor, das das Areal von Osten her erschließt, wurde im Jahr 2001 errichtet zum 1700-Jahr-Jubiläum der Apostolisch Armenischen Kirche. Im Innenbereich beieindruckt neben dem Eingangstor ein großer Freiluftaltar, auf dem alle sieben Jahre das besondere Salböl, das Myron, geweiht wird. Was es mit diesem Brauch auf sich hat, der für die weltweite Kirche der Armenier zentral ist, ist auf einem Blog der Diözese Eichstett ausführlich und anschaulich beschrieben.

Am 25. September 2022 wird es wieder soweit sein. Pilger aus der ganzen Welt werden erwartet, wenn hier das Heilige Öl 40 Tage lang zubereitet und geweiht wird. [Blog in englischer Sprache, Kurzfassung mit beeindruckenden Bildern. + Ausführliche Beschreibung des Rituals in englischer Sprache.]

Ausruhen in Etschmiadsin


Zum Abschluss der Tour besuchten wir die Ruinen der Kathedrale von Swartnoz (Zvartnots), von welcher der nahe gelegene Flughafen von Jerewan Zvartnots (EVN) seinen Namen hat. Im Hintergrund sieht man den Ararat, zu dem uns eine weitere Tour am Samstag führen wird.

Jerewan – Yerevan Impressionen

Donnerstag, 19. Mai
Ararat-Brandy und
Konferenzbeginn

Eröffnung der Konferenz um 18 Uhr

Multi Grand Hotel (Konferenzhotel) – Lobby
People of Action Rotary Year 2021-2022

Mit einem bunten Strauß aus Reden, Grußworten, Präsentationen aus Projekten und Begegnungen im Distrikt 2452 wird die Konferenz eröffnet. – Auf einem der Videos entdecke ich mich selbst. Es enthält ein Foto von der Fahrt zur Schneller-School (Libanon) im Oktober 2021.

Die Eröffnung geht nach einer kurzen Pause über ins Welcome-Dinner. Rotarierinnen, Rotarier und Gäste genießen der Eröffnungsabend in bunter Zusammensetzung an ihren Tischen

Freitag, Samstag, 20./21. Mai, Distriktkonferenz mit einer breiten Themenpalette, Referenten, Sprecherinnen und Sprecher aus den verschiedenen Ländern und Regionen des Distrikts und Rotary International

Bilder verschiedener Rede- und Programmbeiträge

Gala Dinner am Freitagabend, Pharaon-Complex, Ramses Hall


Für einen Ausflug nach Khor Virap haben wir am Samstagvormittag auf die erste und auf den Anfang der zweiten Session des Konferenzprogramms verzichtet. – Das Kloster Khor Virap, nah am Ararat gelegen, ca. 50 km südlich von Jerewan nah der türkisch-armenischen Grenze ist mit den Anfängen des Christentums in Armenien in engem Zusammenhang. Gezeigt wird der Kerker, in welchem Gregor der Erleuchtete 13 Jahre gefangen gehalten wurde. Das Kloster ist der dem Ararat am nächsten gelegene Ort Armeniens.


Abschluss der Konferenz – Ausklang beim Armenischen Abend in der Nazani Wine Factory ca. 40 km außerhalb Jerewans


Governor Ashot Karapetyan und der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Gjumri, Alexan Ter-Minasyan, überreichen mir die Konferenz-Gedenkmedaille und laden mich ein, im Rotary Länderausschuss (ICC) Deutschland-Armenien mitzuarbeiten.


Mit dem Armenischen Abend endet die Konferenz. District Governor Elect George M. Azar übernimmt den Governorstab zum 1.7.2022 und lädt zur nächsten Distrikt-Konferenz nach Beirut ein: 11.-13. Mai 2023.

Einige der Konferenzteilnehmer starten am Sonntag zu einer weiteren, zweitägigen Exkursion. Wir sind eingeladen, für den ersten Tag mitzukommen und lernen weitere sehenswerte Orte in Armenien kennen:
Erste Station ist Vernissage Jerewan. Von Jerewan fahren wir zu einer weiteren UNESCO-Welterbestätte, dem antiken Tempel von Garni


Eine besondere Art des Brot Backens lernten wir in der Mittagspause kennen. Der hauchdünn ausgewellte Teig wurde an der runden Wand einer Backgrube gebacken. Zwei Frauen standen /saßen auf dem Boden, die Beine in einer Grube. Die eine wellte den Teig, die andere buk den Fladen in der Grube


Die nächste Station war das in den Fels gehauene Höhlenkloster Geghard, dessen Tradition auf den Beginn der Christianisierung im 4. Jahrhundert zurückgeht. Die Lanze des Thaddäus soll dort als Reliquie verwahrt worden sein. – Viele Touristen besuchen den Ort, besonders aber auch Familien, die in der Kirche ihre Kinder zur Taufe bringen.


Letzte Station unserer Armenienreise ist die Basaltschlucht „Symphonie der Steine“ unterhalb des Garni-Tempels den wir zuvor gesehen hatten – ein imposantes Naturerlebnis. Störend ist allerdings der Verkehr auf der neu erbauten Straße. Von der „Symphonie der Steine“ war während unseres Besuchs nichts zu hören. Unser Bus hielt oberhalb der Schlucht. Wir erkundeten sie zu Fuß. Vielleicht muss man werktags kommen, wenn der Verkehr ruhiger ist.


Ein sehr schönes Video der Gegend findest Du auf YouTube: Fly over Geghard Monastery & Garni Temple von Levon Karapetyan

Schnell sind sie vorüber gegangen, die Tage in Armenien, geprägt von vielen Begegnungen und intensiven Erlebnissen unterwegs. Ein herzliches Dankeschön Governor Ashot Karapetyan und all denen, die die Konferenz vorbereitet haben: Anahit, Sofia und Ani im Besonderen, die sich um alle unsere Fragen und Wünsche gekümmert haben, Sona aus Beirut, die unermüdlich für unser Armenien-Erlebnis ein Highlight nach dem andern in unser Programm gezaubert hat. – Auf Wiedersehen Armenien, Good bye Armenia, Au revoir Armenia! ❤️

Predigt am Sonntag Invokavit, 6. März 2022, in Bissingen an der Enz, Kilianskirche und Martin-Luther-Kirche

Invokavit. Vor genau 500 Jahren war es Martin Luther, der es nicht mehr aushalten konnte und den es nach 10 Monaten in seinem Versteck und Asyl auf der Wartburg nicht mehr gehalten hat. Er verlässt die Burg am 1. März 1522 und kehrt nach Wittenberg zurück ungeachtet der Gefahr, in die er sich begibt, besteigt wenige Tage später die Kanzel. Es ist der Sonntag Invokavit. Acht Tage lang hat er jeden Tag eine Predigt gehalten, die als Invokavitpredigten überliefert wurden – und das wichtigste daran war vielleicht nicht einmal, was er gesagt hat, sondern dass er die Dinge in die Hand genommen hat, dass er gezeigt hat, dass er lebt, dass er kein gebrochener Mann war, sondern zur Sache geredet hat – wie jetzt der ukrainische Präsident – Es ging vor 500 Jahren darum, Dinge zurechtzubringen, die aus dem Ruder gelaufen waren, und die Gemeinde zu festigen. – Luthers Worte zur Sache haben damals ihre Wirkung nicht verfehlt.

Nun haben wir heute wieder den Sonntag Invokavit, versammeln uns hier und anderswo als christliche Gemeinde zum Gottesdienst, zum Gebet und zum Hören auf Gottes Wort, ob es uns etwas zu sagen hätte. Auch wir versammeln uns in einer besonderen Situation: Krieg in der Ukraine. Kiew ist nicht ganz 2000 Kilometer östlich von uns, ungefähr so weit wie Madrid oder Sizilien, aber in die andere Richtung. Das betrifft uns und bedrückt uns. Flüchtende kommen auch nach Deutschland. Geht es uns an?

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 2. Korintherbrief, Kapitel 6,1-10, wo Paulus den Korinthern ins Gewissen redet und schreibt:

1Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. 2Denn er spricht (Jes 49,8): »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! 3Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit dieser Dienst nicht verlästert werde; 4sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, 5in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, im Wachen, im Fasten, 6in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, 7in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, 8in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; 9als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; 10als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.

in allem erweisen wir uns als Diener Gottes … Was heißt das heute? Was heißt es heute, ein Christ zu sein?

Die Legende von Christophorus ist mir in den Sinn gekommen, die in früheren Zeiten sehr populär war. Ich kenne sie noch aus der Grundschule, aber ihre Beliebtheit geht weit zurück bis ins Mittelalter. Den Namen Christophorus, Christusträger, hat er nicht von Anfang an getragen. Die Legende wird in der Legenda aurea [1] so erzählt, dass er von gewaltiger Größe war, mit einem furchtbaren Angesicht, den es zuhause nicht gehalten hat und der den mächtigsten König suchen wollte, um bei ihm zu bleiben. Eines Tages aber sang vor dem König ein Spielmann ein Lied, darin des Teufels Name gar oft genannt war. Da nun der König ein Christ war, zeichnete er seine Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes, so oft des Teufels Name genannt war. – Christophorus fragt nach, der König weicht aus und gibt schließlich zu: „Wann ich den Teufel höre nennen, so segne ich mich mit diesem Zeichen; denn ich fürchte, dass er sonst Gewalt gewinne über mich und mir schade.“ Da trennen sich ihre Wege. Es gibt einen Mächtigeren als den König. Christophorus sucht nun den Teufel, findet einen Ritter wild und schrecklich anzusehen, und begibt sich in seinen Dienst. Ich suche den Herrn den Teufel denn ich wäre gern sein Knecht. Sprach der Ritter »Ich bin der, den du suchst… «

Wir sehen einen Menschen auf der Suche, wem er dienen möchte. Ein einziges Leben haben wir, und es ist nicht egal, wem wir es widmen, wem wir dienen. Die Christophoruslegende erzählt von einem Menschen auf der Suche nach einer Herausforderung, die es wert ist, dass er sich ihr stellt, und er gerät bei seiner Suche an den Teufel, an den Bösen, das Böse.

Da sie nun mit einander dahin zogen, kamen sie einst auf eine Straße, da war ein Kreuz am Wege erhöhet. Alsbald der Teufel das Kreuz sah, floh er voll Furcht und ließ die Straße und führte Christophorus zur Seite einen rauen und wüsten Weg, und darnach wieder zu der Straßen.

Der Teufel ist hier der, der auf Abwege führt und der einen Bogen um das Kreuz macht. Christophorus spürt, dass etwas nicht stimmt und gibt sich nicht zufrieden, bis er die Wahrheit erfährt.

Es ist ein Mensch gewesen, Christus mit Namen, den hat man ans Kreuz geschlagen; und so ich dieses Kreuzes Zeichen sehe, so fürchte ich mich sehr und muss es fliehen. – Sprach Christophorus »So ist dann jener Christus größer und mächtiger denn du, so du sein Zeichen so sehr fürchtest«

Er gibt dem Teufel Lebewohl und sucht lange Zeit, ob ihm jemand von Christus möchte Kunde geben. Zuletzt kam er zu einem Einsiedler, der predigte ihm von Christus und unterwies ihn mit Fleiß im Glauben. Und sprach zu Christophorus »Der König, dem du dienen willst, begehrt, dass du viel fastest«. Christophorus antwortete: »Er fordere von mir ein ander Ding, denn dies vermag ich nicht zu tun«. Sprach der Einsiedler »Es ist not, dass du viel betest«. Antwortete Christophorus »Ich weiß nicht, was das ist, und kann ihm darin nicht folgen«

Fasten und Beten ist also wohl christlich, aber vielleicht nicht jedermanns Sache, und Christophorus muss es nicht lernen, muss sich nicht mit 7 Wochen ohne befassen und nicht einmal das Vaterunser lernen.

Der Einsiedler sagt ihm: »Weißt du den Fluss, darin viel Menschen umkommen, so sie hinüber wollen fahren>?« Antwortete Christophorus »Ja, ich weiß ihn«. Und der Einsiedler sprach »Du bist groß und stark: setze dich an den Fluss und trage die Menschen dahinüber, so wirst du Christus dem Könige gar genehm sein, dem du zu dienen begehrst; und ich hoffe, dass er sich dir daselbst wird offenbaren«. Sprach Christophorus: »Das vermag ich wohl und will ihm hierin dienen«. Also ging er zu dem Fluss und baute sich am Ufer eine Hütte. Er nahm eine große Stange in seine Hand statt eines Stabes, darauf stütze er sich im Wasser und trug die Menschen alle hinüber ohn Unterlass.

*

In allem erweisen wir uns als Diener Gottes, schreibt Paulus, und zählt auf, was ihm alles widerfahren ist und widerfährt, ein langer Katalog: in großer Geduld, in Bedrängnissen,… Alles nimmt er in Kauf um dieses Dienstes willen. … in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten GerüchtenAls die Sterbenden, und siehe, wir leben.

Es ist gut, liebe Gemeinde, wenn wir wissen, was wir tun müssen, wenn wir uns nicht zu sehr mit unseren Ängsten und Sorgen und Befürchtungen befassen, nicht zu sehr mit Fitnesstraining, Freizeitprogramm, Work-Life-Balance, nicht zu sehr mit uns selbst, sondern mit dem, was wir tun können.

Der Einsiedler hat Christophorus als erstes empfohlen zu fasten. – Und wer nun sieben Wochen bis Ostern – oder für die Dauer des Krieges oder für irgendeine Not fasten kann, der soll das tun! 7 Wochen ohne – in Solidarität mit den Menschen, die nun den Krieg erleiden oder in Solidarität mit den Menschen, die hungern. Wer nicht fasten kann, kann etwas anderes.

Beten. Friedensgebete halten, zu Friedensgebeten gehen. Und vielleicht werden auch Solidaritätskonzerte zu Gebeten! Vielleicht kann man sein Inneres nach außen kehren und zeigen, dass man nicht unberührt ist von dem, was man erfährt. Herr, erbarme Dich! Kyrie eleison! Und stets ist das Gebet eine Haltung, eine innere Zwiesprache, ein Reden des Herzens, wie Luther sagt. Aber wer nicht beten kann, kann etwas anderes.

Spenden, Hilfsbereitschaft zeigen! So wie Christophorus den Menschen über den Fluss geholfen hat, können wir den Menschen, die hier ankommen, in ein neues Leben helfen. Vielleicht können wir nur wenig tun, aber zumindest wie Christophorus und wie Paulus können wir unterwegs sein mit der Frage, wem wir dienen, bis wir den Platz gefunden haben, an dem wir gebraucht werden.

Die Christophorus-Legende geht so weiter, dass ein Kind ihn ruft, das er zunächst gar nicht gesehen hatte. Erst als es zum dritten Mal ruft, nimmt er es wahr. Christophorus nahm das Kind auf seine Schulter, ergriff seine Stange und ging in das Wasser. Aber siehe, das Wasser wuchs höher und höher, und das Kind ward so schwer wie Blei. Je weiter er schritt, je höher stieg das Wasser, je schwerer ward ihm das Kind auf seinen Schultern; also dass er in große Angst kam, und fürchtete, er müsste ertrinken. Und da er mit großer Mühe durch den Fluss war geschritten, setzte er das Kind nieder und sprach »Du hast mich in große Gefahr gebracht, Kind, und bist auf meinen Schultern so schwer gewesen: hätte ich alle diese Welt auf mir gehabt, es wäre nicht schwerer gewesen«. Das Kind antwortete »Des sollst du dich nicht verwundern, Christophorus; du hast nicht allein alle Welt auf deinen Schultern getragen, sondern auch den, der die Welt erschaffen hat. Denn wisse, ich bin Christus, dein König, dem du mit dieser Arbeit dienst.«

„Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten. Und wer ein Menschenleben zu Unrecht auslöscht, dem wird es angerechnet, als hätte er die ganze Welt zerstört“ heißt es im Talmud.

Ich denke, nur das hilft uns in dieser Gefahr, in der wir heute stehen und in der die Welt heute steht, dass wir unseren Dienst nicht verlassen, dass wir uns ansprechbar zeigen und unsere Antwort geben, sei es im Fasten, im Beten, im Handeln.

Zum Schluss möchte ich an den Anfang des Predigttextes erinnern, der lautete:

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Denn er spricht (Jes 49,8): »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!

Tag des Heils? Ist das nicht zynisch?

Nein. Wenn im Unheil dieser Welt ein Licht aufscheint, wenn es so sein kann, dass Menschen nicht nur Verzweiflung empfinden, sondern Aufatmen, Erleichterung, Frieden im Kleinen, wenn etwas Aussicht hat auf Heilung, sodass man von einem Tag des Heils wieder sprechen könnte, dann ist es nicht zynisch. Um das lasst uns bitten und dafür lasst uns handeln. Amen.


[1] Die Legenda aurea des Thomas von Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz. 1955 Lambert Schneider, 111993, S. 498ff

Traum, Alptraum, Wirklichkeit…

Kilianskirche Bissingen/Enz

Predigt in der Kilianskirche und in der Martin-Luther-Kirche Bissingen
am 6. Februar 2022
(IV. Sonntag vor der Passionszeit)

Predigttext (Matth. 14,22-33)

22Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! 28Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Liebe Gemeinde,

was ist das, was uns hier erzählt wird? Eine Geschichte, die sich irgendwann ereignet hat, eine wirkliche Geschichte? Oder die Erinnerung an eine Geschichte? Ist es ein Traum, ein Alptraum? Vermischen sich hier die Realitäten? Auch im Traum erleben wir eine Wirklichkeit, erschrecken, erleben Angst und erwachen aus der Angst.

Nur das Matthäusevangelium kennt diese Geschichte vom sinkenden Petrus. Nur das Matthäusevangelium kennt auch den Taufbefehl: Gehet hin in alle Welt, machet zu Jüngern alle Völker, tauft sie… – Ist diese Geschichte für den Evangelisten die Geschichte von der Taufe des Petrus? Erzählt sie seinen Untergang, seine Rettung…? Erzählt sie etwas von Petrus, wo er durchmusste, um das zu werden, was er später war, um das werden zu können, was er später war?

Hat er das gebraucht, Petrus, dass er, der sich stark gefühlt hat, im Glauben stark, der darauf vertraut hat, mit seinem Glauben auch übers Wasser gehen zu können, wenn Jesus ihn ruft? Hat er es gebraucht, dass es ihn kalt erwischt hat mit dem Verlust des Glaubens in einem einzigen Moment, Zweifel, Angst, Todesangst, das Verloren Sein in der Nacht? Und den dann doch etwas gerettet hat, Jesus selbst, dessen Hand er ergreift als es schon fast zu spät ist.

Wer denkt da nicht zugleich an die Menschen in überfüllten Flüchtlingsbooten, die versuchen, ihr Leben zu retten, indem sie sich aufs Meer wagen? Nur von denen, die gerettet wurden, kennen wir vielleicht ihre Geschichten, nicht aber von denen, die ihr Grab im Meer gefunden haben, die niemand gerettet hat.

Wie erzählen die Geretteten ihre Geschichte? Wie erzählen sie sie am Tag der Rettung und wie nach einem Jahr? Wie erzählen sie sie nach Jahren und wie im Rückblick auf ihr Leben?

Es fühlt sich an, als hätte sich in dieser Geschichte vom sinkenden Petrus vieles verdichtet, was im Leben geschehen ist, geschehen sein kann. Sie besteht aus einzelnen Bildern. Zuerst Jesus, der sich zurückzieht, der auch die Jünger nicht um sich haben will, der die Einsamkeit sucht: … stieg auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein.

Stille.

Das andere Bild war schon angelegt und tritt jetzt in den Vordergrund: die Jünger, die in einem Boot sitzen, alle in einem Boot und aufs andere Ufer zusteuern: Es ist das Bild der Jünger, die für eine Überfahrt, für ein Unternehmen, ein Vorhaben ohne Jesus unterwegs sind. Immer wieder hat er sie losgeschickt, damit sie es lernen, ohne ihn unterwegs zu sein, auf den Straßen des Lebens und im Boot. Aber dieses zweite Bild verwandelt sich unversehens ins Bedrohliche, wandelt sich extrem ins Bedrohliche. Aus der Überfahrt wird ein nächtliches hin und her geworfen Sein inmitten furchtbarer Wellen, und schon fühlt es sich nicht mehr an wie auf dem See Genezareth am Fuß des Golan, sondern viel eher wie mitten im großen Ozean.

Das dritte Bild beschreibt die vierte Nachtwache, in der man dem Gefühl ausgeliefert ist, dass die Nacht lang ist, unendlich lang, und in der unendlich langen Nacht sehen sie eine Gestalt: …und schrien vor Furcht! Männer! Sonst starke Typen, die in ihrer Angst meinen, einem Dämon zu begegnen, einem Nachtgespenst.

Dann Jesus: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! – und die Geschichte geht weiter, wie wir sie kennen und wie sie uns zugleich wirklich und unwirklich vorkommt.

Am nächsten Morgen wird sie nicht in der Zeitung stehen. Aber viele Geschichten, die in der Zeitung stehen und noch mehr Geschichten, die in keiner Zeitung stehen, wird man mit dieser Geschichte in Verbindung bringen können: Was Menschen durchgemacht haben, worin sie zu versinken drohten, in der Arbeit, in der Trauer, in Überforderung, Menschen, denen man zugetraut hatte, dass sie übers Wasser gehen oder die sich das selbst zugetraut hatten. Und dann war der Halt weg, der Boden unter den Füßen schwankend, das Selbstvertrauen zusammengeschrumpft auf ein Nichts, das Seil nicht zu greifen.

*

Am anderen Morgen war da die Erinnerung, dass es die Hand Jesu gewesen sein musste, die Petrus gehalten hat. Am anderen Morgen war da auch die Erinnerung, dass wie durch ein Wunder der Sturm sich gelegt hat.

*

Aber es ist da noch etwas anderes: solche Erfahrungen nimmt man in sein weiteres Leben anders mit als die Erinnerung an einen schönen Urlaub, anders als die Erinnerung an eine Bootsfahrt, die sich dann als kleine Herausforderung entpuppt hat. Es sind Geschichten von Dingen, die man durchgemacht hat, die man verarbeiten muss. Der Evangelist Matthäus wollte in seinem Evangelium auf diese Geschichte nicht verzichten. Als einziger nimmt er sie auf in seinen Text. Dass er sie aufschreibt und überliefert, ist Teil dessen, dass man solche Erfahrungen verarbeiten muss, sie immer wieder neu durchdenken –, und immer wieder kommen sie hoch. Man muss es manchmal zulassen, dass sie wieder hochkommen, oder manchmal unterdrücken, muss darüber reden und kann vieles vielleicht doch nicht richtig erzählen, weil es noch viel schlimmer war oder viel wunderbarer: Kriegserfahrungen, Erfahrungen von Verlust, von Angst, Verzweiflung, Nicht-Weiter-Wissen, aber Weiter-Müssen. Und ebenso sind es Erfahrungen der Rettung, des Erwachens ohne Angst, des Geborgen-Seins, Erfahrungen, dass das Leben neu geschenkt ist, die man verarbeiten muss. Wie erzählt man sie?

*

Noch eines gehört zu dieser Geschichte: Petrus wird nicht in erster Linie als der gezeigt, der in der Kirche eine steile Karriere gemacht hat, der es zum Stellvertreter Christi gebracht hat. Ganz andere Seiten gehören zum Bild dieses Jüngers.

Da ist auch der Aussteiger: Petrus, der in dieser Geschichte versucht, das sinkende Boot zu verlassen – nicht auf Teufel komm raus, sondern in Selbstüberschätzung. Als Aussteiger scheitert er: „Herr, rette mich!“

*

Die Kirche – seit der Reformation denken wir, wenn es um Petrus geht, an die katholische Kirche, aber bis zur Reformation haben wir mit der katholischen Kirche eine gemeinsame Geschichte und sind einander bis heute als Konfessionen verwandt und verbunden. Die Kirche hat das Papstamt als Petrusamt verstanden – und sich selbst als das Boot, das ans andere Ufer unterwegs ist. In unseren Tagen ist die Kirche erneut in schwerer See unterwegs. Es ist nicht nur einer, der aussteigt, es sind viele. Sie sagen, sie können auch ohne Kirche glauben und verlassen das Boot. – Noch mehr in schwerer See ist der emeritierte Papst Benedikt, der nicht mehr souverän ist, zugleich ein alter Mann. Wird das Boot wieder in ruhiges Fahrwasser gelangen, ihr Petrusnachfolger wieder Hirte sein können? Wann ist der Sturm gestillt – und von wem?

*

Am Ende der Geschichte wird nicht geschildert, wie sie ankommen. Es wird nicht bis zu einem Happy End erzählt. Wir sehen die Jünger nicht tropfnass und erschöpft aus dem Boot steigen und Interviews geben, erfahren nicht, dass sie sich nun erst einmal erholen müssen. Die Geschichte endet mit dem Satz: Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!“ Das erinnert an den Chor in der griechischen Tragödie, der kommentiert, an den Chor im Weihnachtsoratorium, der die Geschichte so einrahmt, dass sie erst zum Oratorium wird. Am meisten erinnert mich dieser Schluss an das Halleluja im Messias von Georg Friedrich Händel: Am Ende die Anbetung, als wären alle Fragen darin aufgehoben.

Dann kommt die nächste Geschichte: Im Evangelium – oder hier bei uns, und immer wieder die Frage, wo Jesus ist, und ob er bei uns ist und wie wir mit ihm und ohne ihn durchs Leben kommen. Amen.

Wie halten Sie es mit der Religion?

Die Nationale Versammlung der Bahaì in den USA hat ihn einst initiiert, den WORLD RELIGION DAY, immer am 3. Sonntag im Januar, erstmals 1950. Inzwischen wird er auch über die USA hinaus wahrgenommen. Das Mühlacker Tagblatt hat am Samstag, 22. Januar eine kleine Umfrage von Volker Henkel veröffentlicht, für die ich mit anderen zusammen angefragt wurde. Aus den eingereichten Antworten auf sechs Fragen hat die Redaktion jeweils ein kurzes Statement ausgewählt.

Umfrage Mühlacker Tagblatt 22.01.22: Wie halten Sie es mit der Religion?

Meine Antworten auf die Fragen im Ganzen:

  1. Welche Gedanken haben Sie, wenn Sie Religion hören?

Erst einmal bin ich neugierig, worum es geht. Religion kann voller Schönheit, Spiritualität, Liebe, Hingabe, Selbstvergessenheit sein. Sie kann sich auch negativ zeigen in Ideologie, Dogmatismus, Intoleranz.

  • Welche Erfahrungen haben Sie mit Religion gemacht?

Da ist meine eigene Lebensgeschichte, die sich ohne „Religion“ gar nicht erzählen lässt. Da sind aber auch viele interessante und schöne Begegnungen mit Menschen anderer Religionen, anderen Glaubens, anderer Konfession. Wo eine Offenheit füreinander besteht, auch für Fremdes, können Begegnungen sehr bereichernd sein.

  •  Was wünschen Sie sich von einer Religion?

Ich weiß nicht, ob man sich von einer Religion etwas wünschen kann. Man kann sich von Gott etwas wünschen, vom Leben etwas erhoffen. Aber von einer Religion etwas wünschen? Ich wünsche mir, dass Religion mich nicht bedroht, sondern weiterbringt. Aber eine Wunschreligion wünsche ich mir nicht. Religion sollte mir einen Weg eröffnen, der vielleicht sogar unbequem sein kann.

  • Was können Vor- und Nachteile einer Religion sein?

Schwierige Frage. Es kann sehr hilfreich sein, mit anderen seinen Glauben zu teilen, gemeinsam einen Weg aus Überzeugung zu gehen. Religion stiftet Gemeinschaft. Das kann im Einzelfall aber auch bedeuten, dass es eng wird, statt weit, dass man gemeinsam auf einen Weg gerät, der nicht weiterführt, dass man die Augen verschließt vor Dingen, die man nicht sehen oder wahrhaben will.

  • Wie wird Ihrer Meinung nach Religion bei uns in Deutschland gelebt?

Oft sehr oberflächlich. Man erwartet von Gott, dass man beschützt, behütet gut durchs Leben kommt und möchte im Übrigen von ihm in Ruhe gelassen werden. Zugleich spüren wir deutlich, dass wir übergriffig sind gegenüber der Natur und den Generationen nach uns ein Erbe hinterlassen, für das wir nicht gerade stehen können. Kann die Menschheit sich selbst retten?

  • Wie sollte Religion gelebt werden und wie lebst Du sie?

Zur Religion gehören Ehrlichkeit und eine Antwort auf die Frage, wofür ich dieses einzige und einmalige Leben einsetzen möchte, das mir geschenkt ist. Ich glaube nicht, dass wir auf der Welt sind, um es bequem und schön zu haben, sondern um unseren Beitrag zum Guten zu geben. Deshalb engagiere ich mich an verschiedenen Stellen, bin aktiv in meiner Kirche und versuche im Rhythmus von Sonntag und Werktag, Gottesdienst und Alltag präsent zu sein.

Rückblick – Januar 2000

Amtsblatt Markgröninger Nachrichten zum 2. Sonntag nach Epiphanias, 16.01.2000

Wochenspruch:     Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Johannes 1,17

Liebe Leserinnen und Leser,

„Aber eins ist wahr: / dass das neue Jahr / mal ein altes Jahr / werden wird und gar / ein sehr altes Jahr,…“ So heißt es in dem Gedicht „Neujahrsbedenken“ von Hans Scheibner.

In der Tat, Mitte Januar hat das Neue Jahr schon seinen ersten Glanz verloren und ist der Alltag eingekehrt. Trotzdem: Ihnen allen einen herzlichen Gruß zum Jahr 2000 und dass es ein gutes Jahr für Sie werde, für unsere Stadt und auch für unsere Kirchengemeinde!

Die kirchlichen Nachrichten beginnen wieder mit den Wochensprüchen zur kommenden Woche. Das soll also bleiben im Jahr 2000, dass ein Bibelvers vorangestellt wird und wir uns um sein Verständnis mühen.

„Das Gesetz ist durch Mose gegeben…“ Das wird im Johannesevangelium als eine große Errungenschaft angesehen und ist es auch. Bei all den Rückblicken auf das Jahr 1999, auf das Jahrhundert und die Jahrtausende war diese Errungenschaft wohl kaum genannt und wäre doch der Erwähnung wert gewesen: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben…“, die 10 Gebote also und das Gebot, den Nächsten zu lieben, und all die anderen Gebote und Gesetze, die sich davon ableiten. Die Menschheit wäre nicht sehr weit gekommen, hätte statt der Gebote das Recht des Stärkeren regiert.

„Die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Das gilt im Johannesevangelium als die noch größere Errungenschaft, und die Geschichten, die das Johannesevangelium erzählt, verdeutlichen dies: Wasser wird zu Wein, der Gelähmte steht auf, der Blinde sieht das Licht, die Ehebrecherin wird freigesprochen, … Die Gnade und Wahrheit – das ist das Unerwartete, was man kaum zu hoffen gewagt hätte, was einem vielleicht die Tränen in die Augen treibt. Mög‘ das Neue Jahr davon etwas bringen, dass wir ein Lied davon singen können: amazing grace, how sweet the sound…                        Ihr Pfarrer Traugott Plieninger

Stifte der Zuversicht

Ein Impuls von


Damit Flüchtlingskinder
in Syrien nicht vergessen werden.


Liebe Leserin,
lieber Leser meines Blogs,
mit unserem Verein Fokus Nahost e.V. – Netzwerk für Frieden und Vielfalt unterstützen wir basisnahe Projekte, die der Bedrohung der einmaligen ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt im Nahen Osten entgegenwirken. Stifte der Zuversicht verteilen wir in Solidarität mit einer Initiative, die sich seit vier Jahren um Kinder in Flüchtlingslagern im Süden Syriens kümmert. Die Stifte stehen symbolisch für Schule, Lernen, Zukunftsperspektive, Hoffnung für Kinder und ihre Familien.

Mit dabei sein kann man mit einer Spende: jeder noch so kleine Betrag hilft. Das Spendenkonto findest Du im Flyer, die Stifte gibt es bei uns Fokus-Nahost-Leuten, also z.B. auch bei mir.
Wir würden uns freuen, wenn Du mitmachst!

„Auf, lasst uns spielen, lasst uns lernen“ hat die Deutsche Gabriele Conrad-Hamzé das Projekt für syrische Flüchtlingskinder genannt, das sie 2016 mit ihrem Mann Chafiq Hamzé begonnen hat. Engagierte Lehrerinnen und Ehrenamtliche kümmern sich um die Kinder. Die Flüchtlingslager liegen im Süden Syriens bei Soueida, einer drusisch-christlichen Gegend. Hierher sind viele Familien aus dem Norden geflüchtet. Momentan sieht es nicht so aus, als könnten sie in absehbarer Zeit wieder zurückkehren. Viele Häuser wurden zerstört.

Über Flüchtlinge innerhalb Syriens hören wir in Deutschland wenig. Es gibt zwar Zahlen, aber wenige Berichte. Die Menschen, die ab 2016 in die Gegend von Soueida geflüchtet sind, gehören zu einer bäuerlichen, seit jeher unterprivilegierten Schicht im Norden Syriens. Sie hatten schon davor unter jahrelang ausbleibenden Regenfällen gelitten. Dann kamen der Bürgerkrieg und die Gräueltaten des Islamischen Staats (IS) dazu. Die Flüchtlinge, die aus Hassake und Qamishli im Norden stammen, sind Aramäer, Kurden, Araber und Armenier. Unter ihnen sind auch Christen. Aus Deir-ez Zor sind sunnitische Muslime in den Süden geflüchtet.

Morgengymnastik

Die Morgengymnastik gehört genauso zu den Ritualen der Schule wie das gemeinsame Essen, das für die zum Teil unterernährten Kinder sehr wichtig ist.


Das Hochplateau von Soueida liegt auf ca. 1000m Höhe. Im Winter ist es hier bitter kalt und die Zelte geben nur wenig Schutz. Im Sommer wird es sehr heiß.

Auch wenn der Platz beengt ist – die Kinder lernen begierig. In der Schule wird im Winter etwas geheizt und die Kinder können sich hier auch waschen.

Angesichts der katastrophalen Unterbringungs- und Bildungssituation der Kinder geht es vor allem darum, die Kinder aus den Zeltlagern bei Soueida durch spielerisches Lernen auf eine Einschulung vorzubereiten und den Kindern, die teilweise traumatisiert und verstört sind, eine breit gefächerte soziale Betreuung zu geben.

In dem Zentrum werden ca. 100 Kinder erreicht, die an drei Tagen in der Woche fünf Stunden unterrichtet werden – in einem weiteren Raum gestaltet eine Erzieherin ein Programm für Kindergartenkinder. Weit mehr Kinder sind eingeschrieben, ein Drittel muss aber mit den Eltern in den Gemüsefeldern der Umgebung arbeiten. Den Unterricht und die soziale Betreuung nehmen fünf kompetente, liebevolle Lehrerinnen wahr. Zusätzlich kommen regelmäßig zwei ehrenamtliche Erzieherinnen, die eine spezielle Ausbildung für kriegsgeschädigte Kinder haben.

Vor vielen Jahren errichtete Chafiq Hamzé aus eigenen Mitteln ein Umweltzentrum, dessen Gebäude heute für die Flüchtlinge genutzt werden. Er arbeitet in der Organisation des Projekts tatkräftig mit.

Mit Begeisterung und Ungeduld erwarten die Kinder ein jede Woche aufgeführtes Puppenspiel, das eine ausgebildete Kraft pädagogisch fundiert vorbereitet. Die Kinder erhalten jeden Tag eine gesunde Mahlzeit. Sie werden auch mit Kleidung und – wenn nötig – mit Medikamenten versorgt.
Während des Corona-Lockdowns im Sommer 2020 haben die Ehrenamtlichen mit Gabriele Hamzé Aufgaben zusammengestellt, die ins Camp gebracht wurden und unter Beaufsichtigung eines engagierten Studenten aus dem Dorf bearbeitet und zurückgebracht wurden. Ferner haben sie Lebensmittel-Care-Pakete im Camp verteilen lassen. Mittlerweile sind die Schulen wieder geöffnet und die Arbeit läuft wie vor dem Lockdown.

Die Märkte sind gut versorgt, aber die Lebensmittelpreise sind in den letzten Monaten explodiert und treiben schon die Normalbürger in den Ruin. Es gibt wenig Strom und das Benzin wird in Literflaschen gekauft. Viele Flüchtlingskinder zeigen Anzeichen von Unterernährung.

Die ansässigen Hilfsorganisationen kommen meist nur vorbei, um Statistiken zu erheben. Gabriele Conrad-Hamzé schreibt, dass die Hilfsgüter des UNHCR und Lebensmittelhilfen vom Roten Halbmond im Suq verkauft werden. Diese müssen sie dann zur kalten Jahreszeit für die Ärmsten im Camp wieder teuer zurückkaufen.
Zu der Angst vor Corona und Hunger kommt die Angst vor Angriffen. So schlugen Anfang Oktober einige Raketen im Nachbardorf ein – acht junge Menschen starben. Die Menschen in den Flüchtlingslagern und in den Dörfern sind von einem normalen, friedlichen Leben noch weit entfernt.

(c) Text und Bilder: Fokus Nahost

Weiterführende Informationen: Interview mit Gabriele Hamzé-Conrad im EKD-Portal: „Das Syrien, das wir einmal kannten, ist verloren gegangen.“ Vgl. auch das 2018 im Autumnus-Verlag erschienene Taschenbuch: