Laternelaufen

ev. Kirchengemeinde bietigheim
Das Wort für die Woche
vom 18. – 24. November 2024
von Pfr. i.R. Traugott Plieninger

November ist auch die Zeit des Laternelaufens, der Laternenumzüge, der Laternenlieder. Schon die Kleinsten sind mit unterwegs, wenn es draußen dunkel und kalt geworden ist, warm eingepackt, damit sie nicht frieren. Stimmt es, dass man die Laternenumzüge früher häufiger gesehen hat? So kommt es mir jedenfalls vor: mit allen Arten von Laternen, große runde mit einem Sonnengesicht, schmale längliche mit bunten Mustern. Heutzutage haben sich vielfach die Kindergärten dieser Tradition angenommen, meist um den Martinstag herum, den 10. November. Aber eigentlich kann man jeden Abend Laternelaufen und Laternenlieder singen mit selbst gebastelten Laternen, mit einem Batterielämpchen erhellt, damit nichts anbrennt. Die Kinder stört das nicht, dass es keine echten Kerzen sind. Wenn es dann im Advent überall weihnachtlich wird, Christbäume und Lichterketten die Straßen und Häuser schmücken, ist die Laternenzeit, die Zeit der kleinen Lichter, vorbei.

Mich berührt es, wenn ich einen Laternenumzug entdecke, diese kleine Art einer friedlichen Demonstration der Freude und des Aufscheinens von Lichtern im Dunkeln: Dort oben leuchten die Sterne und unten, da leuchten wir… singen die Kinder. Was kommt einem da nicht alles in den Sinn?!
Laternelaufen gehen die Kinder nicht allein. Entweder sind die Eltern mit dabei oder die größeren Geschwister, Nachbarkinder oder es ist die ganze Kindergartengruppe samt Erzieherinnen, Eltern und Großeltern gemeinsam unterwegs. Behütet und begleitet gehen die Kinder durch die dunklen Straßen und Gassen. Die Laterne schützt das Licht. Die Kinder halten ihre Laterne vorsichtig in ihren kleinen Händen. Sie haben keine Angst im Dunkeln; aber sie spüren doch, dass die Nacht nicht weit weg ist, sondern geheimnisvoll nah und fremd, vor allem an Abenden, an denen der Himmel bedeckt ist, Mond und Sterne hinter Wolken verschwunden. Vielleicht gehören deshalb die Lieder zum Laternelaufen, damit es, wenn es dunkel ist, nicht auch noch gespenstisch still ist.
Was für ein wunderbarer Brauch hat sich da erhalten aus Zeiten, in denen es keine Straßenbeleuchtung gab und man Lampen benötigte, wenn man nachts unterwegs war, vielleicht um Hilfe zu holen oder Hilfe zu bringen. Mit einer Laterne sieht man nicht weit, sieht gerade den Weg für die nächsten Schritte, geht langsam voran, muss darauf achten, wohin man seinen Fuß setzt, und darf sich nicht verirren bis man die beleuchteten Fenster sieht und sich darauf freut, wieder zuhause und in einer warmen Stube zu sein.
Irgendwann ist es vorbei mit dem Laternelaufen, aber nicht mit der Dunkelheit und auch nicht damit, dass man in den Dunkelheiten dieser Welt Wege finden muss, aufeinander angewiesen ist, und dass es viele kleine Lichter braucht. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus seinen Jüngern, und sagt auch: Ich bin das Licht der Welt, damit die, die leuchten sollen, wissen, wo sie Orientierung bekommen.

Brot

Das Wort für die Woche vom 15.-21. Juli 2024
Foto: TPlieninger, Wadi Rum, Jordanien

Viel Steine gab’s und wenig Brot heißt es in Uhlands berühmten Gedicht vom wackren Schwaben.In der Tat, so berichtet es auch die biblische Geschichte von der 40jährigen Wanderschaft der Israeliten durch die Wüste in ein fernes gelobtes Land…Sie sahen nichts davon, hatten Hunger und rebellierten gegen Mose, ihren Anführer. Was nützt die ganze Freiheit, wenn kein Brot da ist und der Hungertod droht? Was dann erzählt wird, ist die Geschichte vom Manna und den Wachteln (2. Mose 16). Gott lässt sein Volk, das er in die Freiheit geführt hat, nicht verhungern.

Freilich, nicht immer geht die Geschichte mit einem Wunder weiter. Millionen Menschen sind in unseren Tagen weltweit auf der Flucht, viele treibt der Hunger, vielen droht das Verderben. Das UNHCR, Hilfswerk der Vereinten Nationen, kämpft dagegen an, bittet um Spenden. Brot für die Welt, Misereor und wie die Hilfswerke alle heißen – die Not scheint schneller zu wachsen als ausreichende Hilfe.

Die Bibel kennt viele Geschichten rund ums Brot, darunter die Geschichten, in denen das wenige, was da ist, unter vielen geteilt wird: 5 Brote und 2 Fische, 5000 werden satt. Jesus lehrt uns bitten Unser tägliches Brot gib uns heute… und im gemeinsamen Essen schenkt er sich selbst: nehmt und esst, das ist mein Leib.

Freilich, nicht jedes Stück Brot, das wir essen, muss eine Meditation sein. Nicht jedes Mal müssen wir bewusst unserer Dankbarkeit Ausdruck geben. Das kann sonst auch zwanghaft werden. Aber von Zeit zu Zeit tut es uns gut, das selbstverständlich Gewordene nicht selbstverständlich zu nehmen. Brot wegzuwerfen oder verderben zu lassen, galt meiner Großmutter noch als Sünde. Ein Stück Brot genießen, es kann fast ein Gebet sein.

Unsere Generation hierzulande kennt den Hunger nur noch vom Erzählen und macht sich mehr Gedanken, was gutes, gesundes Essen ist, woher es kommt, unter welchen Bedingungen es produziert wurde, derweil es die kleinen Bäckereien längst nicht mehr gibt, in denen das Brot für eine Nachbarschaft gebacken wurde, Schwarzbrot, Weißbrot, Brezeln und Hefezopf.

Wer aber weiß, welche Wege wir in unserer Zeit noch geführt werden, welche Durststrecken noch auf uns warten, welcher Hunger uns noch zu schaffen machen wird und welcher Wunder wir noch bedürfen. Brot ist immer ein Geschenk, auch wenn man dafür arbeitet und es sich verdient.