Predigttext: Joh. 15,1-8 (Basisbibel)
1 „Ich bin der wahre Weinstock. Mein Vater ist der Weinbauer.
2 Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt. Und er reinigt jede Rebe, die Frucht trägt, damit sie noch mehr Frucht bringt.
3 Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe.
4 Bleibt mit mir verbunden, dann bleibe auch ich mit euch verbunden. Eine Rebe kann aus sich selbst heraus keine Frucht tragen. Dazu muss sie mit dem Weinstock verbunden bleiben. So könnt auch ihr keine Frucht tragen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts erreichen.
6 Wer nicht mit mir verbunden bleibt, wird weggeworfen wie eine abgeschnittene Rebe und vertrocknet. Man sammelt das Abgeschnittene ein und wirft es ins Feuer, wo die Rebe verbrennt.
7 Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte im Innersten bewahrt, dann gilt: Was immer ihr wollt, darum bittet – und eure Bitte wird erfüllt werden.
8 Die Herrlichkeit meines Vaters wird darin sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch als meine Jünger erweist.“
Predigt
Liebe Gemeinde,
Jubilate heißt der heutige Sonntag! Aufforderung zum Jubel, zur Freude, zum Spaziergang durch die Schöpfung, die Natur, dorthin wo die Bäume blühen, es genießen, dass die Tage länger werden. Der Predigttext zeigt uns Jesus auch nicht als einen Schreibtischtäter, der eine Predigt vorbereitet, sondern zeigt ihn unterwegs mit seinen Jüngern. Manchmal finden wir Ortsangaben, die zeigen, dass Jesus die schönen Plätze geliebt hat, aufgesucht hat. Ölbäume und Weinstöcke findet man in Galiläa bis heute. Vielleicht sind sie irgendwo gesessen und haben nachgedacht, eine Weile geschwiegen. – Im Konfirmandenunterricht versuchen wir es, 2 Minuten lang zu schweigen, nichts zu sagen. Wenn einem etwas Ernstes durch den Kopf geht, sind zwei Minuten kurz, sehr kurz, zu kurz. Draußen in der Natur kann man auch eine Viertelstunde still sein oder länger, sieht, wie die Felder grün werden, sieht, wie an den Weinstöcken die Blätter hervortreiben.
Was wäre, wenn man jetzt einen Trieb abschneidet, einen Trieb an einem Weinstock? Aus der Wunde läuft der Saft heraus, die Blätter am abgeschnittenen Trieb werden schnell welk. Aber macht nicht gerade das der Weinbauer? Keine Pflanze wird so sehr zurückgeschnitten wie der Weinstock. Könnte man nicht einfach alles wachsen lassen? Nicht, wenn man Trauben ernten will! Das Zurückschneiden gehört dazu. Schade, denkt man. Aber es muss sein.
Und dann gehen die Gedanken wieder zum Alltag: Dran bleiben, nicht abgeschnitten werden! „Dran bleiben“ sagt die Lehrerin in der Schule, „dran bleiben“ sagt der Trainer im Verein. „Dran bleiben“ heißt – sich nicht abbringen lassen.
Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden, die Ihr nächsten Sonntag oder übernächsten Sonntag konfirmiert werdet. „Dran bleiben!“ Vielleicht denkt Ihr: „Erst mal Abstand halten! Die Konfi-Sachen wegtun! Mittwochnachmittag frei haben! Sonntags ausschlafen!“ Aber überlegt auch und noch mehr, wie Ihr dran bleiben könnt! Verlasst Euch nicht drauf, dass Euch der Glaube hinterher getragen wird, geht nicht davon aus, dass Ihr das schon abhaken könnt im Leben, überlegt, wie Ihr dran bleiben könnt!
Dran bleiben, wenn man weggeht… Vielleicht nur ein Wohnortwechsel, vielleicht ein Weggang zum Studium, vielleicht ins Ausland, vielleicht aus beruflichen Gründen, vielleicht aus persönlichen Gründen, vielleicht aber auch, weil man seine Heimat aufgeben muss wie es Hunderttausenden in Syrien, im Irak, ergeht, unter ihnen viele Christen.
Was bedeutet „Dran bleiben?“
Einen Weinstock verpflanzt man nicht, nur ganz am Anfang, wenn die Pflänzchen aus Traubenkernen gezogen und dann veredelt werden. Danach werden sie an ihren Standort verpflanzt und verwurzeln sich sehr tief. Weinstöcke können sehr alt werden. Aber sie sind nicht heute hier, morgen dort.
Wir Menschen sind nicht im Erdboden verwurzelt. Wir sind anders verwurzelt. Dran bleiben heißt nicht, dass man nicht weggehen darf, nicht wegziehen darf, nicht aufbrechen darf. „Dran bleiben“ heißt: dem Glauben an Jesus Christus treu bleiben: „Wer mit mir verbunden bleibt so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht.“ Heißt auch nicht, lieber E. R. den wir heute verabschieden, dass man am neuen Wohnort wieder Mitglied im Kirchengemeinderat sein muss oder im Bauausschuss oder was auch immer. Es heißt viel eher, dass sich das zeigen wird, wenn jemand dran bleibt, wo und wie die Früchte wachsen. Aber „Dran bleiben!“
„Jesus, der Weinbauexperte.“ Fast will es einem so vorkommen, wenn er vom Veredeln spricht. „Mein Vater ist der Weinbauer. Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt. Und er reinigt jede Rebe, die Frucht trägt, damit sie noch mehr Frucht bringt.“ Jeden Tag gehen manche Wengerter in den Weinberg, um zu jeder Jahreszeit die notwendigen Dinge zu tun, damit im Herbst gute Trauben geerntet werden können. Viele Triebe müssen zurückgeschnitten werden. Triebe, die nur Laub bringen, werden entfernt. Triebe, die Trauben tragen sollen, werden angebunden und erzogen, da wird auf Krankheiten und Schädlinge geachtet, all das, weil die Ernte im Blick ist, die Weinlese.
Frucht: Dass das Leben, das man hat, zu etwas gut ist, dass es zugute kommt. Wie? Wem? Das ergibt sich von innen heraus! Wie? Frucht muss wachsen, braucht Zeit zum Reifen.
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Zurück zur Natur, zum Spaziergang durch die Felder und Wälder und Weinberge, zu Momenten der Stille und Einkehr.
Ja, dran bleiben! Es ist ja doch auch eine Standortfrage. Du kannst nicht überall sein, nicht überall dran bleiben, kannst Dich im Leben nicht verzetteln. Du kannst nicht alles vollbringen, nur einen kleinen Teil, Deinen kleinen Teil. Da wächst noch anderes in Gottes schöner Natur, da sind noch andere unterwegs, ihren Beitrag zu geben, da geschieht nicht alles durch einen einzigen. Du musst die Welt nicht erlösen! Bleib bei dem, der sie erlöst hat. Du musst die Welt nicht retten, Du darfst Dich begrenzen!
So schön – diese Welt! So voller Wunder, voller Licht, voller Hoffnung, voller Geheimnisse. So grausam – diese Welt, so voller Gewalt, so voller Finsternis, so voller Angst und Entsetzen. Eine Welt voller Unschuld, eine Welt voller Schuld. Gott warum?
„We refuse to be enemies“ steht auf T-Shirts, die wir in Israel gesehen haben, Juden und Araber: „wir weigern uns, Feinde zu sein.“ „Fight violence with love“ am Eingang einer Farm in der Nähe von Bethlehem: Kämpfe gegen Gewalt – mit Liebe!
Meint Jesus das, wenn er sagt:
„Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte im Innersten bewahrt, dann gilt: Was immer ihr wollt, darum bittet – und eure Bitte wird erfüllt werden.“ ?
Ich glaube nicht, dass Jesus hier an eigennützige Bitten denkt, an den Wunsch, etwas mehr vom Leben zu haben. Ich denke, es geht um die Anliegen, die seine Anliegen sind, um Erneuerung, Versöhnung, Überwindung von Negativem, und dass er diese Anliegen nicht ohne uns in die Welt trägt, sondern mit uns, durch uns. Wir sollen, dürfen mit ihm verbunden sein, mit ihm Verbundene, Verbündete, dass das, was aus ihm herausfließt durch uns hindurchfließt. Nicht umgekehrt, dass der Saft in den Reben rückwärts fließt, dass wir die Wünsche formulieren und er sie sich zu Eigen machen soll. Nein, das, was Kraft gibt und Wachstum, Antrieb und Auftrieb, soll vom Weinstock her kommen, aus der Wurzel, aus dem Stamm bis in die Spitzen der Triebe. Wenn das unser Antrieb ist, was von ihm kommt, dann hat es Verheißung, dann wird Leben aus seiner Kraft schön, wie der letzte Vers des Predigttextes sagt:
Die Herrlichkeit meines Vaters wird darin sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch als meine Jünger erweist.
Amen.