VERTRAUEN NACH GANZ OBEN… Predigt am Sonntag Invokavit

Predigttext: Hebr. 4,14-16 (Ü: In Anlehnung an „Neue Genfer Übersetzung“)

Weil wir nun aber einen großen Hohenpriester haben, der den ganzen Himmel ´bis hin zum Thron Gottes` durchschritten hat – Jesus, den Sohn Gottes –, wollen wir entschlossen an unserem Bekenntnis zu ihm festhalten. Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, ´allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass` er ohne Sünde blieb.

Lasst uns also unerschrocken, freimütig und zuversichtlich vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten, damit er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.

Liebe Gemeinde,

für die Leserschaft des Hebräerbriefs war die Gestalt des Hohenpriesters vielleicht noch vorstellbar. Der oberste der Priester am Jerusalemer Tempel, gekleidet in prächtige Gewänder an den Festtagen. In einem frühchristlichen Brief ist die Erinnerung an diese Institution noch lebendig: „Diese Erscheinung ruft Ehrfurcht und Staunen hervor, so dass man sich wie in eine andere Welt versetzt glaubt.“

Vielleicht muss man an den Papst denken, an die Begegnung des Papstes mit dem Oberhaupt der russisch orthodoxen Kirche dieser Tag in Kuba, Würdenträger auf die die Blicke der Menschen gerichtet sind. Die jeweils Gläubigen dieser oder jener Konfession, und nicht nur sie, begehren es, diesen Oberhäuptern nahe zu kommen, etwas von ihrer Ausstrahlung zu verspüren.

Den Christen der frühen Gemeinden, die keinen Hohenpriester hatten, überhaupt noch kaum Ämter, schon gar keine Messgewänder, Fest- und Feiertagsgewänder und keine großen Riten, ihnen wird mit diesem Abschnitt gesagt, zu wem sie aufblicken können und wer ihr Hohepriester ist:  Jesus, der Sohn Gottes. „Lasst uns festhalten an unserem Bekenntnis zu ihm.“ Offenbar war es manchen zu nüchtern geworden in den Versammlungen, zu substanzlos, zu unattraktiv. Sie haben sich zurückgezogen aus den christlichen Gemeinden. Eindringlich redet der Briefschreiber seinen Adressaten zu Herzen. „Lasst uns festhalten am Bekenntnis zu Jesus, dem Sohn Gottes!“ Er wird beschrieben als der, der nicht nur gelegentlich prächtig gekleidet in den Tempel einzieht und einmal im Jahr am Versöhnungstag die Schritte bis ins Allerheiligste des Tempels gehen durfte, sondern der „den Himmel“ durchschritten hat bis zum Thron Gottes. Dem Schreiber des Briefs gilt das mehr als jede menschliche Gestalt, zu der man aufblicken mag. Aber freilich, dass wir jemanden brauchen, zu dem wir aufblicken können, das ist keine Frage.

Zu jemandem aufblicken, weil man selbst unten ist.

Zu jemandem aufblicken, weil man sich selbst nicht aufrichten kann.

Zu jemandem aufblicken, weil man vielleicht verstört ist.

Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte“
– in dem, was uns zu schaffen macht;
– in dem, wo wir verunsichert sind,
einer, zu dem wir aufblicken können, einer, zu dem wir aufblicken sollen,
einer, dem nichts Menschliches fremd ist, der all dem ausgesetzt war, was Menschen zum Straucheln bringt, der darum mitfühlen kann.

Ich denke an die Bilder, die uns das Fernsehen diese Woche gezeigt hat, Menschen, die trauern an der Unfallstelle des Zugunglücks in Bayern,
Flüchtlinge, die vor verschlossenen Grenzen stehen, an Zäunen,
ratlose Gesichter von Regierungschefs und hochrangigen Politikern bei der Münchner Sicherheitskonferenz oder wo immer sie sich begegnen, um Probleme zu lösen, die sich kaum lösen lassen,
verunsicherte Menschen vielerorts, die nicht mehr wissen, was sie denken sollen, andere, die irgendwo anpacken und Hand anlegen, die helfen bis zur Erschöpfung, aber was kommt nach der Erschöpfung?
Fernsehjournalisten, Radiomoderatoren, Presseleute, die Bilder und Meinungen einfangen und um die Welt schicken, die ihr Mikrophon hinhalten und irgendjemand sagt irgendetwas, was andere auch schon einmal gesagt haben, gehört haben, was nichts Neues ist. Der Bundespräsident in Afrika, Mali, dankt den deutschen Soldaten und macht ihnen Mut. Sie sind nicht dort als Touristen, sondern in ernster Mission. Zu wem sollen wir, dürfen wir aufblicken?

Vielleicht ahnen wir, was uns mit diesem Predigttext vom Hohenpriester Jesus, der mitleiden kann, gesagt werden soll. Vielleicht können wir uns etwas sagen lassen von diesem Predigttext zum ersten Sonntag der Passionszeit, Invokavit, der einmal im Königreich Württemberg ein Landesbußtag war, wohl gemerkt ein Landes-Bußtag für die Bürger des Landes, nicht nur für die Kirchgänger, ein Tag der Einkehr, des Gebets, der Besinnung. Es würde uns wahrhaft gut tun. Aber dann kämen ja gleich die Fragen, was erlaubt wäre an so einem Tag, und insofern – lassen wir es lieber!

Vielleicht können wir uns sagen lassen, dass das auch von uns in Anspruch genommen werden kann: aufblicken zu Jesus, dem Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat. Er „…ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte.“

Und dann:

„Lasst uns also unerschrocken, freimütig und zuversichtlich vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten, damit er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.“

Irgendwie, denke ich, da steckt Vertrauen drin. Vertrauen nach ganz oben, das wir teilen sollten mit allen, die sich Sorgen machen, „…dass er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.“ Amen.

14.02.2016, Bartholomäuskirche Markgröningen

Veröffentlicht von

TPlieninger

Pfarrer, ev., im Ruhestand