damit wir klug werden. Predigt zur Kirchentagslosung am 7. Juni 2015 in Markgröningen

damit wir klug werden

Liebe Gemeinde,

für den Schlussgottesdienst des Kirchentags ist kein eigener Bibeltext vorgesehen wie für die Bibelarbeiten am Donnerstag und Freitag und Samstag und die Feierabendmahlsgottesdienste am Freitagabend. Die Losung des Kirchentags  „damit wir klug werden“ soll noch einmal sprechen nach diesen vier Tagen des Nachdenkens, Diskutierens, Innehaltens, nach diesen vier Tagen der Begegung.

„Lehre uns zu bedenken, wie wenig Lebenstage uns bleiben, damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen“ lautet der ganze Vers 12 aus dem 90. Psalm in der neuen Genfer Übersetzung. – Damit wir klug werden – Damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen.

Klug werden, etwas daraus lernen, eine Schlussfolgerung ziehen…

. Wie oft hören wir die Redewendung: „Was heißt das“ oder „das heißt…“

Mit allem Möglichen sollen wir klüger, sollen wir gescheiter werden.

„Viel Spaß beim Vermehren der gewonnenen Einsichten“ wünscht eine Moderatorin im Fernsehen den Zuschauern.

Niemand möchte dümmer werden, vor allem sollte die Menschheit nicht dümmer werden, sondern klüger.

Das Kirchentagsmotto, das „DAMIT WIR KLUG WERDEN“ hat viel Lob erfahren. Obwohl dieses Motto nicht spektakulär ist, trifft es doch genau in die Ratlosigkeit unserer Tage, wo die Mächtigsten der Erde sich beim G7-Gipfel in Bayern versammeln für 2 Tage, und unzählige Male die Frage gestellt wird, was das soll. Werden sie denn Ergebnisse zusammentragen, die diese Übernachtungskosten von 150 Millionen rechtfertigen?

So viele Fragen in unseren Tagen, bei denen kein Weiterkommen erkennbar ist. Oder sind wir klug genug, wenn wir immerhin die Fragen verstanden haben, aber noch keine Antworten gefunden? Das kann es doch auch nicht sein für Menschen in ausweglosen Situationen, dass wir sagen: „Wir haben Verständnis, wir haben verstanden, aber wir wissen auch nicht weiter.“ So viel Ratlosigkeit in unseren Tagen! So viel Ratlosigkeit in unserer Welt! Und da, wo Rat ist, ist es so oft schlechter Rat, falscher Rat, Un-Rat!

Auch der 90. Psalm speist uns nicht mit einfachen Antworten ab. Dem 12. Vers voraus gehen die Verse, in denen es heißt:

Ach, alle unsere Tage schwinden dahin, weil dein Zorn auf uns lastet, wir durchleben unsere Jahre so rasch, als wären sie ein kurzer Seufzer.

Unser Leben dauert siebzig Jahre, und wenn wir noch Kraft haben, dann auch achtzig Jahre. Und was uns daran so wichtig erschien, ist letztlich nur Mühe und trügerische Sicherheit. Denn schnell eilen unsere Tage vorüber, als flögen wir davon.

Wer aber kommt darauf einmal nachzudenken, wie gewaltig dein Zorn und deine Wut sein muss? Wer macht sich Gedanken, dass Du zu fürchten bist?

Würde der Psalm an dieser Stelle enden, dann wäre das Ende eine Frage, eine Frage wie so viele, die Frage eines Menschen, der sagt: „Ich frag ja bloß“ und „fragen wird man doch dürfen“.

Was sagt Gott zu all dem? Während uns heute immer interessiert, was der oder jener sagt, diese oder jene, Frau Merkel oder Putin oder Obama oder die EU oder die UNO oder die Kirche oder der Papst, der Innenminister oder die Presse oder…

Hier sagt einer: „Wer denkt schon an Gott und dass ihm das alles nicht gefallen kann, was der Mensch so treibt?“ In der Lutherbibel heißt der Vers: „Wer glaubt’s aber, dass du so sehr zürnest, und wer fürchtet sich vor dir in deinem Grimm?“

Genau an dieser Stelle fährt der Psalmist nicht fort, über die Schlechtigkeit der Welt und das Treiben der Menschen nachzudenken, sondern betet darum: „Lehre uns zu bedenken, wie wenig Lebenstage uns bleiben, damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen.“

Lehre uns bedenken, dass wir begrenzt sind… Lehre uns bedenken, dass wir nicht die ersten und die letzten und die einzigen sind… Lehre uns bedenken, dass wir wenig ausrichten und hilf uns, dass wir mit dem wenigen, das wir ausrichten, kein Unheil anrichten.

Hilf uns, Gott, nicht überheblich zu sein,
hilf uns, dass wir uns nicht zu wichtig nehmen,
aber dass wir auch nicht alles von uns weisen und sagen, wir können ja nichts tun, auf uns kommt es nicht an…

Hilf uns Gott, bescheiden zu sein,
aber nicht bequem.

Hilf uns, Gott, dass wir etwas beitragen können zu Guten,
etwas bei-tragen, unseren kleinen Teil;

uns bleibt ja nicht viel Zeit
und unsere Kraft ist klein,

aber ein wenig Zeit bleibt uns,
und ein wenig Kraft hast Du, Gott, uns gegeben.

Mit dem Herzen möchten wir denken können, Gott,
mit unserem Herzen, das noch schlägt,
das sich manchmal überschlägt,
und manchmal schon holpert und stolpert und flimmert,
das uns spüren lässt, dass es noch schlagen will;
aber eines Tages wird es nicht mehr schlagen.

Hilf uns, Gott, mit dem Herzen zu wissen,
mit dem Herzen spüren,
nicht herzlos zu sein mit unserer Klugheit.

Lehre uns zu bedenken, wie wenig Lebenstage uns bleiben, damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen.“ – Ja, das Leben ist kurz, die Tage fliegen dahin, wir möchten sie festhalten. Aber es ist gut, wenn wir sie loslassen, weil wir sie nicht festhalten können.

Das Leben ist kurz, die Tage fliegen dahin, aber womit verbringen wir sie? Womit sind sie gefüllt, unsere Tage, unsere Kirchentage, unsere Parteitage, unsere Gipfeltage, Aktionstage, unsere Urlaubstage, Arbeitstage, unsere Feierabende, unsere Wochenenden, unsere Lebenstage?

Lehre uns zu bedenken… Wenn uns also Zeit bleibt nachzudenken, wenn uns Zeit bleibt uns herauszunehmen aus dem Getriebe, wenn uns also Zeit bleibt zur Besinnung, dann werden die Tage nicht besinnungslos vergehen. Wenn uns Zeit bleibt zur Besinnung, dann wird unser Leben Sinn bekommen können.

Besinnung ist nicht Berechnung, Besinnung ist: Gott die Möglichkeit einräumen, uns etwas zu sagen, unser Herz zu erreichen, uns klüger, weiser, leichter, reicher zu machen, wie es der Kirchentagssong sagt. „Was ist gut, was ist gerecht, was ist lebendig und echt? Lass es mich verstehn, was wirklich zählt. Gib mir dein Wort für mein Herz. Gib mir ein Herz für dein Wort, das mich trifft und trägt auf meinem Weg…

Du bist noch, ehe ich bin. Du wirst sein, wenn ich schon war. Halte lebenslang zur mir, mein Gott. Amen.

Lied nach der Predigt: Klüger, weiser, leichter, reicher

Veröffentlicht von

TPlieninger

Pfarrer, ev., im Ruhestand