Kirchenkonzert in Bissingen am 2. Advent
Erwachsenenbildung im Ev. Kirchenbezirk Ludwigsburg
Schreibwerkstatt
Die Kirche
Ein Baum,
mit Wurzeln,
Ästen,
weit verzweigt,
blühend von Zeit zu Zeit,
Früchte ausbildend,
mancher Ast morsch,
absterbend,
aber auch neue Triebe.
Die Kirche – Ein Baum?
Oder eher
ein Fluss
von der Quelle
bis zur Mündung
immer größer werdend
mit Zuflüssen,
in engen Tälern sich den Weg bahnend,
weite Ebenen gestaltend
Lebensraum bietend für vieles,
Ruderboote, Kähne, Schiffe tragend,
flussaufwärts, -abwärts,
verseucht, verschmutzt auch,
etappenweise renaturiert,
sich endlich in tausend Arme verzweigend
bis er sich ins Meer ergießt,
sich vermischt mit dem salzhaltigen Ozean
Wo sind wir,
von der Quelle weit entfernt,
kaum noch Zuflüsse,
wo längst alles hineingeflossen ist,
ins Delta
Klimawandel
Flüsse, die austrocknen,
Quellen, die versiegen,
Wüsten, die wachsen.
Was wird
aus der Kirche?
10.10.23
Schreibwerkstatt
Ein Versuch.
Schon die erste Runde begeistert mich,
Anregungen,
mein Zittern der Hand ist kein Problem,
auch anderes nicht, womit jemand sich schwer tun könnte,
die Freude an den Wörtern überwiegt,
macht Lust auf Sätze, Gereimtes und Ungereimtes,
die Zeilen fügen sich aneinander,
damit das, was zwischen den Zeilen ist,
Raum bekommt, Zwischenraum gewissermaßen,
womöglich das Unsagbare aufscheint,
das Unbeschreibliche nicht unter den Tisch fällt;
Werkstatt – wo dran gearbeitet wird,
bis es – vielleicht – fertig ist.
11.10.23
Weihnachten
Immer noch
ein Fest
alles intensiver
Die Freude
Die Trauer
Der Glaube
Der Zweifel
Überhaupt – der Glaube an das Gute
Der Zweifel – an allem
Alles intensiver
Die Erwartungen der Kinder
die Enttäuschungen auch
Wie lange hält man das aus?
Das Fest der Freude, des Friedens? 8.11.23
November-Gedenktage
Das Wort für die Woche von Pfarrer i.R. Traugott Plieninger, Bissingen 5.-12.11.2023
Mit der Erinnerung an Luthers Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517, dem Vorabend des Allerheiligenfestes am 1. November, hat für mich der November begonnen. Die Kinder haben an der Tür geklingelt und zu Halloween Süßes gefordert. Rasch habe ich gesucht, womit ich ihnen eine Freude machen kann, und dabei an all die Kinder gedacht, denen das Leben in diesen Tagen nur Bitteres beschert.
Dann der 9. November: Nie hätte ich mir ausmalen mögen, dass noch einmal der Antisemitismus als Gespenst erscheint und sich breit macht. Heruntergerissene Israel-Flaggen, Schmierereien an Synagogen, Angst der Jüdinnen und Juden, sich als solche zu erkennen zu geben. In einer Zeit, in der das Kopftuch muslimischer Mädchen und Frauen längst selbstverständlich zum Straßenbild dazugehört, trauen sich jüdische Männer nicht mehr mit der Kipa auf die Straße und möchten als Juden lieber unerkannt bleiben. Bedenken wir es: Vor 85 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen, waren jüdische Mitbürger samt Hab und Gut an Leib und Leben bedroht. Mehrere Hundert wurden schon damals ermordet oder verschleppt, deportiert, andere nahmen sich das Leben. Und es war nur eine Vorstufe zum Holocaust, dem Schlimmsten, was jemals Menschen Menschen angetan haben.
Alles andere Gedenken, was auf den 9. November fällt, soll nicht vergessen sein! Wie werden wir dieses Jahr diesen Tag erleben? Das PKC Freudental lädt auf 10. November, 17 Uhr, zu einer Gedenkveranstaltung an der ehemaligen Synagoge ein. Vielleicht können Sie es einrichten, dabei zu sein.
Am 11.11. ist Martinstag und Gedenktag an den, der den Mantel geteilt hat. Es ist auch der Tag des Waffenstillstands am Ende des 1. Weltkriegs und ja, das auch, der Auftakt zur Karnevalsaison, wem immer nach Karneval in diesen Zeiten zumute sein mag.

Der 11.11. ist für die Schneller-Schulen im Libanon und in Jordanien ein besonderer Gedenktag. Am 11.11. 1860, also vor 163 Jahren, kehrte Johann Ludwig Schneller, ein Schwabe aus Erpfingen im Dienst der Pilgermission St. Chrischona, mit 10 Kriegswaisen zurück nach Jerusalem und nahm sie auf in sein Haus.
Die Nachrichten vom drusisch-maronitischen Krieg hatten ihn nicht in Ruhe gelassen, so dass er aufgebrochen ist, um zu sehen, was er tun könne. Aus diesem humanitären Akt eines einzelnen Mannes ist das Syrische Waisenhaus in Jerusalem entstanden, und aus dem Syrischen Waisenhaus sind dann die beiden bis heute existierenden Schneller-Schulen in Khirbet Qanafar im Libanon und in Amman, Jordanien, hervorgegangen. Dort betreibt man Friedens-Erziehung, Peace-Education. Kinder verschiedener Religion, verschiedener Herkunft, verschiedener sozialer Schichten lernen zusammen, und sie lernen vor allem zusammen zu leben, sich zu respektieren. Sie feiern die christlichen Feste, die muslimischen Feste, sie werden mit ihrer Religion ernst genommen, aber es gibt keine muslimischen oder christlichen Klassen, keine Chance für Diskriminierung.
Mit dem Direktor der Johann-Ludwig-Schneller-Schule im Libanon, bin ich immer wieder im Austausch. Zuletzt schrieb er mir:
Wenn Du erfährst, welch furchtbare Dinge religiöse Fanatiker anrichten, dann wird Dir bewusst, dass das, was wir in den Schneller-Schulen machen, das ist, was die Welt, besonders unsere Region, wirklich braucht, um Extremismus zu bekämpfen und für Frieden tätig zu sein.
Freiheit
Wort der Woche von Pfarrer i.R. Traugott Plieninger

Ich habe eine Weile gesucht, bis mir ein Bild für Freiheit gefallen hat. Nicht die Freiheitsstatue. Es ein Bild von der Ostsee geworden. Sommerwetter, ein paar Wölkchen am Himmel, tiefblaues ruhiges Wasser, ein Segelboot, am Horizont ein größeres Ausflugsschiff. Freiheit ist auch ein Gefühl: frei sein, die Freiheit genießen, ungestört sein, Weite erleben, zur Ruhe kommen.
Wir sagen Freizeit, Freiraum, gehen ins Freie. Freiheit ist ein Grundbedürfnis all dessen, was lebt. Menschen, Tiere, selbst Pflanzen benötigen Freiheit, Freiraum, um sich entfalten zu können.
Sind wir freiheitsliebenden Menschen selbst frei, freie Menschen? Welche Freiheit steht uns zu? Ist mit Freiheit Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Willensfreiheit, Versammlungsfreiheit, Wahlfreiheit gemeint?
Haben wir wirklich die Wahl? Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen, auch nicht den Ort, wo wir geboren werden und nicht die Zeit, in der wir zur Welt kommen. Wir suchen uns unsere Gene nicht aus und sind mit unserem Körper unterwegs, der vollkommen, aber nicht perfekt ist. Täglich stoßen wir an Grenzen und fühlen uns oft nicht frei, sondern eingeengt, befangen. Wie frei sind wir wirklich? Selbst über den Wolken, wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, ist sie es nicht. Wer ins Flugzeug steigt, tut es mit dem mulmigen Gefühl eines Menschen, der weiß, dass auch das Fliegen viel zur Schädigung des Klimas beiträgt. Und was ist es mit der freien Marktwirtschaft und der freien Fahrt auf Autobahnen?
Matthias Claudius, Dichter und Schriftsteller, schrieb einst an seinen Sohn Johannes: …und der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll.
Da ist angedeutet, dass uns unsere Freiheit nicht in den Schoß gelegt wird, dass sie anstrengend sein kann. Menschen haben für die Freiheit ihr Leben gelassen, Menschen sitzen für ihre Freiheit und die Freiheit anderer im Gefängnis, in Arbeitslagern und zehren davon, dass sie von uns in Freiheit Lebenden nicht vergessen werden.
Von der Freiheit eines Christenmenschen – hieß eine Schrift Martin Luthers, die die Reformation mit eingeleitet hat. Darin heißt es:
Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Was sind Ihre Gedanken zur Freiheit?
Evang. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim. Wort der Woche 25.9.-1.10.23 Druckversion
Suchen und Finden
Ein gutes Wort für die Woche – Ev. Gesamtkirchengemeinde Bietigheim (KW 33/2023)

Suchen und finden. Ein Lebensthema. Für die Zeit der Romantik wurde die Sehnsucht und die Suche nach der blauen Blume das Symbol einer ganzen Epoche. „Fernab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn‘ ich mich zu erblicken…“ hatte Novalis geschrieben.
Sehnsucht. Auch das hat mit Suchen zu tun, und mit Finden wollen, vielleicht auch nur ein Bruchstück, ein Fragment finden von dem, wonach wir uns sehnen: nach ein bisschen Glück, nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach Wahrheit, Ehrlichkeit, Anerkennung.
Bittet, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan, sagt Jesus. Er erweist sich als Schirmherr der Suchenden. Er segnet nicht die, die die Wahrheit besitzen oder schon wissen was recht und gerecht ist, auch nicht die, die sagen »da kannst Du nichts machen; es kommt, wie es kommt…«
Und bedeuten die Worte »sucht, so werdet ihr finden« nicht auch, dass Jesus selbst auf der Suche ist, auf der Suche nach Verbündeten für eine bessere Welt, für das Reich Gottes, für Heil und Gerechtigkeit?!
Wonach suchen wir nicht ständig? Nach dem Autoschlüssel, nach einer Rechnung, die wir weggelegt hatten, nach einem Wort, das uns nicht einfallen will, wonach auch immer; und sind erleichtert, wenn wir das, was wir gesucht haben, schließlich gefunden haben.
Gott segne unser Suchen und Finden und lasse uns von Neuem finden, wenn wir von Neuem suchen. Er segne das Suchen nach Wegen, wo es ausweglos scheint, und segne die Recherche, wo sie der Wahrheit dient. Er segne die Suche nach einem gerechten Urteil, wo Richtende zu richten haben, und begleite die Flüchtenden, die einen Ort suchen, an dem sie willkommen sind, eine neue Heimat. Gott segne unser alltägliches Suchen nach dem, was uns fehlt und woran es fehlt, und schenke uns, dass wir dann und wann etwas finden, wonach wir gar nicht gesucht haben, ein Glück, eine Idee, eine Aufgabe. Gott segne unsere Begegnungen, unsere Bemühungen, unsere Interessen und unser Vertrauen, dass unsere Suche nicht vergeblich ist.
Lob der Pause

In der Musik ist genau definiert, wie lang sie sein muss, die Pause. Es gibt die Viertelpause, es gibt die halbe Pause, einen ganzen Ton Pause oder sogar einen oder mehrere Takte Pause. Nicht kürzer, nicht länger. Aber selbst die kürzeste Pause reicht zum Atemholen.
In der Schule gibt’s die große Pause, die kleine Pause, die 5-Minuten-Pause. Davor und danach ist Unterricht. Pausenlos Unterricht geht gar nicht!
Den Stillstand mögen wir allerdings auch nicht, wenn sich überhaupt nichts bewegt, wenn nichts vorangeht oder am Schluss alles zum Erliegen kommt. Es ist die Pause, die uns guttut und die wir brauchen. Danach geht es weiter!
Das Symbol der Pause ist eine Bank oder ein Snack, eine Tasse Kaffee, bei Wanderungen ein Picknick. Selig, wer sich ein zweites Frühstück genehmigen kann oder dann eine Mittagspause, womöglich eine kleine Siesta.
»…und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen«, sagt Pippi Langstrumpf. Die Pause ist auf alle Fälle frei von jedem Zwang, von jedem »du musst«, und ist eine Erinnerung daran, dass uns Gott nicht geschaffen hat, um etwas zu leisten, sondern um zu leben, zu atmen, zu sehen, zu hören, zu riechen und zu schmecken, schließlich auch um uns oder etwas zu bewegen, etwas zu tun.
Der mich atmen lässt, bist du, lebendiger Gott, /
der mich leben lässt, bist du lebendiger Gott…
Pausen am Tag sind ein Vorgeschmack auf den Feierabend, der Feierabend ein Vorgeschmack auf die Feiertage, den Ruhetag, die Ferien. Ich wünsche Ihnen den rechten Rhythmus für Ihren Alltag, und dass Ihnen die Zeit nicht davonläuft, wenn sie Pause machen.
Wort der Woche,
Ev. Kirchengemeinden Bietigheim-Bissingen
02.07.2023
Alles, was Recht ist!

Predigt zum 3. So. n. Trinitatis beim Kurparkfest Bad Sebastiansweiler
Predigttext: Jona 3,10-4,11
10Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Jonas Unmut und Gottes Antwort
1Das aber verdross Jona sehr, und er ward zornig 2und betete zum Herrn und sprach: Ach, Herr, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen. 3So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben. 4Aber der Herr sprach: Meinst du, dass du mit Recht zürnst?
5Und Jona ging zur Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte; darunter setzte er sich in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde. 6Gott der Herr aber ließ einen Rizinus wachsen; der wuchs über Jona, dass er Schatten gab seinem Haupt und ihn errettete von seinem Übel. Und Jona freute sich sehr über den Rizinus.
7Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach den Rizinus, dass er verdorrte. 8Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben.
9Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. 10Und der Herr sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, 11und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?
Alles, was Recht ist. Gottes überraschende Barmherzigkeit
Liebe Gemeinde hier beim Kurparkfest Bad Sebastiansweiler,
wer diese Geschichte aufgeschrieben hat, wissen wir nicht. Erzählt wird in der 3. Person von Jona, Gott und Ninive. Ninive: Sodom und Gomorra! Babylon Berlin! Paris, New York und Amsterdam macht keinen Unterschied! Mannheim, München, Stuttgart brauchen sich nichts einzubilden! Die sind auch nicht besser …
Das weiß Jona und denkt: „Bei Gott! Jemand sollte mal etwas sagen!“ Aber er ist halt auch nicht besser, und sowieso, er wollte schon längst mal eine Kreuzfahrt nach Tarsis machen. Dort ist die Welt noch in Ordnung.
Jona haut ab. Es holt ihn ein. Gott holt ihn ein, und dann predigt er eben in Gottes Namen, aber deutlich, predigt den Leuten, was die Stunde geschlagen hat: „Last Generation!“ Noch 40 Tage bis zum Untergang! Alles, was Recht ist, so kann’s nicht weitergehen! So wird’s nicht weitergehen!
Womit er nicht gerechnet hatte: Die Leute nehmen es sich zu Herzen. Sie machen nicht einfach weiter, sie halten inne!
Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Gottes überraschende Barmherzigkeit
An dieser Stelle, liebe Gemeinde, ist etwas Unglaubliches festgehalten, nämlich dass Gott nicht unumstößlich der konsequente Vollzieher von Recht und Gerechtigkeit ist, der zornige Rächer der menschlichen Schwächen, Unvernunft, Schuld, Bosheit, der dafür sorgt, dass es kein Entrinnen gibt und der Mensch die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommt. Gottes Barmherzigkeit kommt zum Vorschein. Aber Gott ist auch nicht, wie heutzutage beliebt, einfach der Behüter und Beschützer der Menschen, egal, was er da beschützen und behüten soll.
Hier in der Jona-Geschichte ist beschrieben, dass Gott überdenkt und es nicht so weit kommen lässt, wie es kommen müsste.
Da reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und er tat’s nicht.
Damit kommt Jona nicht zurecht. Er hatte den Untergang angekündigt und möchte nun sehen, was passiert, und als nichts passiert, macht er Gott sogar Vorwürfe.
Ach, Herr, das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen. 3So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich möchte lieber tot sein als leben.
Jona im Selbstmitleid. (Wenn kein Mensch Mitleid hat, muss man sich wohl selbst bedauern!)
Dann kommt die Geschichte mit dem Rizinus, wunderbar erzählt.
Gott der Herr aber ließ einen Rizinus wachsen; der wuchs über Jona, dass er Schatten gab seinem Haupt und ihn errettete von seinem Übel. Und Jona freute sich sehr über den Rizinus.
Aber am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach den Rizinus, dass er verdorrte. 8Als aber die Sonne aufgegangen war, ließ Gott einen heißen Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde. Da wünschte er sich den Tod und sprach: Ich möchte lieber tot sein als leben.
Da sprach Gott zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um des Rizinus willen? Und er sprach: Mit Recht zürne ich bis an den Tod. Und der Herr sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?
So endet die Geschichte, so endet das ganze Büchlein Jona, und man weiß am Ende nicht, wie sie weitergeht, was aus Jona wird, ob er wieder nach Hause geht oder nach Ninive oder noch einmal nach Tarsis. Wahrscheinlich ist das gar nicht so wichtig.
Überhaupt…
Geht es in dieser Geschichte um Jona oder um Ninive oder um Gott? Oder ist alles ineinander verwoben? Um wen oder was geht es?
Um wen oder was geht es, wenn wieder irgendjemand sagt: So geht es nicht! Alles, was Recht ist!
- Das sagt im Parlament die Opposition und
- das sagt die Gewerkschaft, wenn sie einen neuen Tarif will,
- das heißt es in Betrieben und Familien, in Schulen und Behörden:
„So geht es nicht! Alles, was Recht ist!“
Aber wie geht es dann und worum geht es überhaupt?
Der letzte Satz lässt ahnen, es geht um die Menschen und auch um die Tiere, es geht um das Leben und Weiterleben und Überleben und nicht um das Vernichten und Zerstören.
Aber es geht auch um Jona und um jeden einzelnen Menschen für sich, um uns – mit unseren Geschichten von Vater und Mutter, mit unseren Geschichten des Alltags, unseren Aufbrüchen und unseren Anläufen, ums Scheitern und Erfolg haben, um alles, was Recht ist und über das hinaus, was Recht ist. Und wenn es um Jona und um uns geht, dann auch darum, dass Jona lernen muss, dass es nicht nur um ihn geht und wir lernen müssen, dass es nicht nur um uns geht!
Aus der Gegend von Ninive hatten wir in unserer Nachbarschaft ein Flüchtlingsfamilie, Vater, Mutter, drei Kinder: Adil, Anous, Hadi, Hiba, Gina. Eines Tages waren sie weg. Die Behörden hatten festgestellt, dass sie zu Unrecht hier waren. Alles, was Recht ist! Ihr seid zu Unrecht hier! Sie waren über Holland gekommen. Dort sollen sie bleiben. Abgeschoben! Wir haben sie dann einmal in Holland besucht, in Amsterdam, und geschaut, wie es ihnen ge ht. Es warein wunderschönes Wiedersehen.
Es ist, als spräche Gott heute zu uns Europäern, die wir im Schatten sitzen und klagen, weil so viele Krisen sind; als spräche Gott: …und mich sollte nicht jammern der Flüchtlinge, 100 Millionen weltweit, die nicht wissen, wohin; dazu auch das Leiden der der ganzen Schöpfung? Alles, was Recht ist! Was ist Recht?
In dieser Geschichte ist Gott barmherzig. Barmherzig! Nicht unbeteiligt, nicht unberührt, nicht schwach. Gott ist barmherzig, weil er barmherzig sein will!
Aber der Mensch tut sich schwer mit Barmherzigkeit. Der Mensch sagt: Alles, was Recht ist.
Welches Recht hat denn der Mensch?
Das Jonabüchlein endet so, dass der Mensch sich ein Beispiel nehmen soll an Gottes Barmherzigkeit. Vielleicht könnte es in diesem Sinn einmal so weit kommen, dass der Mensch sein vermeintliches Recht nicht nur behauptet, sondern teilt mit allem, was lebt. Amen.
Barmherziger Gott, erbarm dich auch unser, die wir häufig nicht wissen, was rechts oder links ist, und wenn wir es zu wissen meinen, hilf auch uns barmherzig zu sein!
Geh freundlich mit uns ins Gericht, wenn wir meinen, wir seien im Recht! Zeig uns, was recht ist! Wir bitten Dich. Amen!
Plädoyer fürs Warten
Ein gutes Wort für die Woche vom 21. Mai 2023 von Pfr. i.R. Traugott Plieninger

Im Kirchenjahr sind die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten dem Warten vorbehalten. „Die wartende Gemeinde“ ist das Motiv des Sonntags nach dem Fest Christi Himmelfahrt. Was verbinden wir mit Warten? Angenehmes oder eher Unangenehmes? Die Wartemusik am Telefon nervt. Wir warten nicht gern, vor allem nicht, wenn es sich hinzieht. Aber genauso schwer tun wir uns, wenn uns für irgendetwas keine Zeit bleibt.
Warten – Abwarten – Erwarten – Zuwarten – Aufwarten
Das Auto zur Wartung in die Werkstatt bringen
Der Wärter, die Wärterin: sie kümmern sich
Ich habe ein ruhiges Bild für das Warten gewählt. Für vieles brauchen wir Geduld, vielleicht nur ein Quäntchen Geduld oder auch viel Geduld. Hoffentlich ist unsere Geduld nicht zu früh oder im falschen Moment zu Ende und der Geduldsfaden reißt.
Von Himmelfahrt bis Pfingsten sind es 10 Tage. Wie fühlt sich erfülltes Warten an? Dankbar, aufmerksam, gelassen, heiter…
Ich wünsche Ihnen, dass auch das Warten Schönes für Sie bereithält.